Mit Urteil vom 12.05.2011 hat der Bundesfinanzhof, Az. VI R 42 2010, seine Rechtsprechung zur steuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit der Kosten eines Zivilprozesses geändert. Zivilprozesskosten können nunmehr unter erleichterten Voraussetzungen unabhängig vom Gegenstand des Rechtsstreits bei der Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Der BSZ® Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein e.V. Dieburg, hat den BSZ e.V. Vertrauensanwalt Rechtsanwalt Michael Staudenmayer, Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht (Stuttgart) gebeten, die tatsächlichen Auswirkungen dieser Entscheidung anhand von drei Beispielen in aktuellen Zahlen darzulegen.
Durch die steuermindernde Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen will der Steuergesetzgeber unzumutbare Härten vermeiden. Voraussetzung ist, dass dem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen entstehen als der überwiegenden Mehrzahl der nach Einkommen, Vermögen und Familienstand vergleichbaren Steuerpflichtigen.
Die Steuerermäßigung entsteht dadurch, dass der Teil der Aufwendungen, die die dem Steuerpflichtigen von Gesetzes wegen zumutbaren Belastungen übersteigen, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Was dies konkret bedeutet soll exemplarisch für drei Beispielsfälle ausgerechnet werden.
Beispielsfälle
lediger Steuerpflichtiger Ohne Kind, Gesamtbetrag der Einkünfte Euro 40.000,--,
Zivilprozesskosten 2010, die nicht erstattet werden in Höhe von Euro 5.500,-- (dies entspricht einer Einigung in einem Zivilprozess
in zweiter Instanz mit Kostenaufhebung, Streitwert bis Euro 10.000,--).
verheirateter Steuerpflichtiger Drei Kinder, Gesamtbetrag der Einkünfte Euro 80.000,--,
Zivilprozesskosten Euro 11.500,-- (entspricht einer Einigung in einem Zivilprozess in zweiter Instanz mit Kostenaufhebung bei einem Streitwert von bis zu Euro 50.000,--).
- alleinstehender Rentner
Ein alleinstehender Rentner mit einer gesetzlichen Rente von Euro 24.000,-- und jeweils Euro 3.000,-- Privatrente, Betriebsrente, Kapitaleinnahmen und weiteren Einkünften sowie Euro 4.500,-- berücksichtigungsfähigen Versicherungsbeiträgen.
Auch hier sollen Zivilprozesskosten iHv Euro 11.500,-- (entspricht einer Einigung in einem Zivilprozess in zweiter Instanz mit Kostenaufhebung bei einem Streitwert von bis zu ? 50.000,--) steuerlich wirksam gemacht werden.
Berechnung der Steuerersparnis
- Beispiel lediger Steuerpflichtiger
1. Schritt: Berechnung der zumutbaren Belastungen: 6% von Euro 40.000,-- = Euro 2.400,--
2. Schritt - Ermittlung der Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage: Zivilprozesskosten Euro 5.500,-- ./. zumutbare Belastungen Euro 2.400,-- = Euro 3.100,--
- Beispiel verheirateter Steuerpflichtiger
1. Schritt: Berechnung der zumutbaren Belastungen: 2 % von Euro 80.000,-- = Euro 1.600,--
2. Schritt - Ermittlung der Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage:
Euro 11.500,-- ./. zumutbare Belastungen Euro 1.600,-- = Euro 9.900,--
- Beispiel alleinstehende Rentnerin
1. Schritt: Berechnung der zumutbaren Belastungen: 6% von Euro 36.000,-- = Euro 2.160,--
2. Schritt - Ermittlung der Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage: Euro 11.500,-- ./. Euro 2.160,-- = Euro 9.340,--
Anmerkungen und 3. Berechnungsschritt:
Der Prozentsatz der zumutbaren Belastung wird aus einer Tabelle abgelesen. Er variiert zwischen 1% und 7% des Gesamtbetrages der Einkünfte. Der Gesamtbetrag der Einkünfte stellt die Summe der Einkünfte aus den sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes dar. Hiervon abgezogen werden ggf. noch Altersentlastungsbetrag ab vollendetem 64. Lebensjahr bzw. Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bzw. Freibetrag für Land- und Forstwirte bzw. der Hinzurechnungsbetrag. Bei einem berufstätigen Steuerpflichtigen, der lediglich Einkünfte als Angestellter bezieht, ist der Gesamtbetrag der Einkünfte allerdings identisch mit den Einkünften aus der nichtselbständigen Arbeit, die ihm der Arbeitgeber beispielsweise für das Jahr 2010 bescheinigt hat.
Der ledige Steuerpflichtige aus dem ersten Beispiel zahlt 8% Kirchensteuer, ist gesetzlich renten- und krankenversichert, pflegeversichert mit Zuschlag. Ohne weitere außergewöhnliche Belastungen zahlt er Euro 6.897,-- Lohnsteuer, Euro 379,33 SoliZ und Euro 551,76 KiSt.
Die steuerliche Bemessungsgrundlage von Euro 40.000,-- reduziert sich durch die selbst zu tragenden Zivilprozesskosten wie oben berechnet in Höhe von Euro 3.100,--, so dass von einem Gesamtbetrag der Einkünfte von nur noch Euro 36.900,-- auszugehen ist. Durch die Berücksichtigung der Zivilprozesskosten reduziert sich seine Steuerlast (Lohn-/Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 8%) also um rund Euro 1.000.
Bei dem verheirateten Steuerpflichtigen in dem oben genannten Beispiel 2, mit Steuerklasse III, drei Kinderfreibeträgen, 8% Kirchensteuer und einem Jahresbruttoeinkommen gleich Gesamtbetrag der Einkünfte, bei gesetzlicher Renten- und Krankenversicherung, ergibt sich eine Steuerersparnis durch die Zivilprozesskosten in Höhe von rund Euro 3.660.
Die alleinstehende Rentnerin hat eine Ersparnis an Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag (ohne Kirchensteuer) von ca. Euro 2.170,--.
Regelmäßig kommen weitere Steuerermäßigungen hinzu. Hinzu kommt, dass häufig weitere außergewöhnliche Belastungen gegeben sind, die nichts mit Zivilprozesskosten zu tun haben, aber die Steuerlast ebenfalls mindern, wie zum Beispiel Krankheitskosten, Pflege-/Pflegeheimkosten für die Eltern, andere Unterhaltskosten oder Kosten der Berufsausbildung einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person.
Des weiteren mindern Sonderausgaben wie Vorsorgeaufwendungen für die Altersversorgung, Kirchensteuer, Teile der Kinderbetreuungskosten, bestimmte Steuerberaterkosten, Aufwendungen für Arbeitslosen-, Berufsunfähigkeits-, Kranken-, Pflege-, Unfall-, Haftpflicht-, Risikoversicherungen und andere Lebensversicherungen regelmäßig die Steuerlast weiter.
Obige Beispielsfälle sind also angesichts der Vielgestaltigkeit des Steuerrechts nur als grobe Vereinfachung anzusehen und können nur der ersten Orientierung dienen. Weitere Voraussetzung: die Prozessführung musste erfolgversprechend gewesen sein Auch nach der geänderten Rechtsprechung muss die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten und darf nicht mutwillig erscheinen. Davon sei auszugehen, wenn der Erfolg des Zivilprozesses mindestens ebenso wahrscheinlich ist, wie ein Misserfolg. Bedeutung über den entschiedenen Fall hinaus In einem Artikel in einer Fachzeitschrift hat der Vorsitzende des VI. Senats des Bundesfinanzhofs unabhängig von dem hier besprochenen Urteil außerdem geäußert, dass er unter den vorgenannten Voraussetzungen auch die Kosten aus Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsverfahren sowie aus Strafprozessen als außergewöhnliche Belastungen sieht.
Foto: Rechtsanwalt Michael Staudenmayer, BSZ e.V. Vertrauensanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
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Dieser Text gibt den Beitrag vom 24.08.2011 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt