Bei Verbraucherdarlehensverträgen ist ein Ausstieg während
der Laufzeit zumeist nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung
möglich. Es handelt sich meist um mehrere Tausend Euro.
Im Zuge der Rückzahlung des Darlehens wird zwischen der
jeweiligen Bank, Sparkasse oder Volksbank und dem Darlehensnehmer oft eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen. Darin
werden unter anderem die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung sowie die
Modalitäten der Abwicklung geregelt.
Steht eine Aufhebungsvereinbarung einem Widerruf im Weg?
Nun stellt sich die Frage, ob ein Verbraucher, der nicht
ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, trotz etwaiger
Aufhebungsvereinbarung seinen Kredit widerrufen und die entrichtete
Vorfälligkeitsentschädigung zurückfordern kann.
Dazu äußert sich beispielsweise die DSL-Bank wie folgt: „Sie
haben mit unserem Haus einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Mit dem Abschluss
des Aufhebungsvertrages sollte das Vertragsverhältnis im Interesse beider
Vertragsparteien endgültig und abschließend erledigt werden. Unser Haus durfte
spätestens nach Abschluss des Aufhebungsvertrages auf die abschließende
Erledigung der Angelegenheit vertrauen.“
Beispiele aus der aktuellen Rechtsprechung ermutigen jedoch,
eine solche Ablehnung nicht einfach hinzunehmen.
Die Frage, inwieweit eine Aufhebungsvereinbarung dem
Widerruf im Weg steht, hat schon zahlreiche Gerichte beschäftigt. Die
wichtigsten Entscheidungen:
Oberlandesgericht Brandenburg – Urteil vom 17.10.2012 – 4 U
194/11
Als erstes Gericht hat das OLG Brandenburg in dieser Frage
zu entscheiden. Das Gericht ließ in Anlehnung an eine Entscheidung des BGH
(Urteil vom 1. Juli 1997 – XI ZR 267/96) den Widerruf trotz des Abschlusses
einer Aufhebungsvereinbarung zu und wies eine Klage der Sparkasse auf Zahlung
der Vorfälligkeitsentschädigung ab.
Das OLG Brandenburg führte aus: „Eine solche Vereinbarung
zwischen Darlehensnehmer und der kreditgebenden Bank über die vorzeitige
Ablösung des Kredits qualifiziert der BGH zu Recht nicht als Vertragsaufhebung
oder Vertragsauflösung, sondern als Modifizierung des Vertragsumfangs ohne
Reduzierung des Leistungsumfangs. Damit liegt eine bloße Änderung des
Darlehensvertrages vor, die den ursprünglichen Vertrag als solchen – und damit
auch das Widerrufsrecht – unberührt lässt.“
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 23.03.2015 – 31 U 155/14
Das OLG Hamm, hat im März 2015 eine Bank trotz vollständiger
Ablösung des Darlehens und des Abschlusses einer Aufhebungsvereinbarung zur
Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung verurteilte.
„Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass das
Widerrufsrecht des Klägers durch die im Jahr 2009 erfolgte Vertragsaufhebung
gegenstandslos geworden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht
einem Widerruf des Vertrags nicht entgegen, dass dieser Vertrag durch einen
weiteren Vertrag abgelöst worden ist. Da dem Kläger keine korrekte
Widerrufsbelehrung erteilt worden ist, kann der Widerruf – unbefristet –
erfolgen. Dies gilt selbst dann, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist. Die
gegenteilige Ansicht würde dem Gedanken des Verbraucherschutzes nicht gerecht.“
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 27.02.2015 – 4 U
144/14
Zwar wurde ein Widerruf trotz Aufhebungsvereinbarung für
wirksam erklärt, jedoch vertritt das OLG Karlsruhe eine differenzierte
Betrachtungsweise:
„Ob eine vertragliche Aufhebung eines Darlehensvertrages mit
einer Vereinbarung einer Vorfälligkeitsentschädigung ein bestehendes Recht des
Darlehensnehmers zum Widerruf dieses Darlehensvertrages entfallen lässt,
richtet sich danach, ob der Aufhebungsvereinbarung ein auf eine Rückwirkung
zielender Wille der Parteien zu entnehmen ist.“
Nach einer Auslegung der Aufhebungsvereinbarung kamen der
BGH zu dem Ergebnis, dass eine auf die Vergangenheit bezogene Rückwirkung nicht
beabsichtigt war. Dieser Ansicht nach müsste bei jedem Einzelfall der Wille der
Parteien beim Abschluss der Aufhebungsvereinbarung genau erforscht werden.
Eine entsprechende Gestaltung des Vertrags könnte also nach
Auffassung des BGH dazu führen, dass der Kreditnehmer auf sein gesetzliches
Widerrufsrecht verzichtet. Und das, obwohl er zum Zeitpunkt des Abschlusses der
Aufhebungsvereinbarung sein Widerrufsrecht noch überhaupt nicht kannte.
Diese Position erscheint problematisch, da die Bank in einem
solchen Fall einen erheblichen Wissensvorteil für sich beanspruchen könnte.
Es ist dem dem LG Waldhut-Tiengen als Vorinstanz zum OLG
Karlsruhe zuzustimmen, wenn dieses ausführt:
„Die Bank durfte zum Zeitpunkt der Aufhebungsverträge noch
nicht berechtigter- weise darauf vertrauen, dass der Kläger von seinem
Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen würde. Die Problematik mangelhafter
Widerrufsbelehrungen musste der Beklagten als Bank hinreichend bekannt gewesen
sein. Die Beklagte musste daher – auch aufgrund der umfangreichen
Presseberichterstattung über die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu
diesem Thema – damit rechnen, dass der Kläger den Sachverhalt anlässlich der
Aufhebungsverträge einer rechtlichen Prüfung unterziehen lassen würde.“
Die Wirkung der Ausgleichsklauseln
Es überrascht uns nicht, dass die Banken sich den genannten
Argumenten verschließen. Um den meist ahnungslosen Verbrauchern von vornherein
die Möglichkeit des Widerrufs abzuschneiden, setzen zahlreiche Banken in ihren
Aufhebungsvereinbarungen auf sogenannte Ausgleichsklauseln. Diese lauten etwa
wie folgt:
„Nach Zahlung der vorgenannten Beträge sind alle
gegenseitigen Ansprüche bezüglich der vorgenannten Darlehensbeträge
abgegolten.“
„Nach Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle Ansprüche aus
dem gegenseitigen Rechtsverhältnis, gleich aus welchem Rechtsgrund,
ausgeglichen.“
Was von solchen Ausgleichsklauseln zu halten ist, hat das
OLG Stuttgart bereits 2006 demonstriert (Urt. v. 20.11.2006 – 6 U 23/06):
„Ist in der Aufhebungsvereinbarung vorgesehen, dass „alle
Ansprüche aus dem gegenseitigen Rechtsverhältnis, gleich aus welchem
Rechtsgrund, ausgeglichen“ sein sollen, so bedeutet dies keinen Verzicht des
Darlehensnehmers auf die Ausübung des ihm zustehenden Widerrufsrechts nach § 1
HausTürWG im Wege eines Vergleichs. Zum einem wäre ein Ausschluss des
Widerrufsrechts in der Aufhebungsvereinbarung als eine zum Nachteil des Kunden
abweichende Vereinbarung i.S.d. § 5 Abs. 4 HausTürWG unwirksam (Rn.52); zum
anderen fehlt es an den Voraussetzungen eines Vergleichs, wenn der Darlehensnehmer sich des Widerrufsrechts
nicht bewusst war und daher den Darlehensvertrag nicht widerrufen und keine
sonstigen Ansprüche geltend gemacht hatte. (…)“
Keine Abweichung zu Lasten des Verbrauchers
An dieser Stelle muss zwar angemerkt werden, dass es sich
bei diesem Urteil um das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften handelte. Jedoch
lassen sich diese Erwägungen problemlos auf andere Widerrufskonstellationen
übertragen, da sich der Schutzzweck des Gesetzes, der Verbraucherschutz, nicht
geändert hatte. So darf auch nach § 511 BGB nicht zulasten des Verbrauchers von
Widerrufsvorschriften abgewichen werden. Anderweitige Gestaltungen, die diesen
Grundsatz umgehen, sind unwirksam.
Folgen
Die BSZ e.V. Anlegerschutzkanzlei Steffens ist, in
Anbetracht der Urteile der aufgeführten Oberlandesgerichte, der Meinung, dass
ein Widerruf und die Rückforderung einer Vorfälligkeitsentschädigung auch nach
Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung möglich sind. Daher raten wir
betroffenen Darlehensnehmern, sich nicht von der Ablehnung der Banken
einschüchtern zu lassen. Darlehensnehmer können auch nach Abschluss einer
Vereinbarung aktiv werden.
Prüfen Sie die Möglichkeit eines Widerspruchs ihrer Kredit,
Lebens- oder Rentenversicherungsverträge. Sie sind sich unsicher, ob bei Ihrem
Vertrag eine Widerrufsmöglichkeit besteht? Für die kostenlose Erstberatung
durch Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht vermittelt der BSZ e.V.
seinen Fördermitgliedern bereits seit dem Jahr 1998 entsprechende Anwälte. Sie
können gerne Fördermitglied des BSZ e.V. werden und sich kostenlos der von
Ihnen gewünschten BSZ e.V. Interessengemeinschaft anschließen, in diesem Fall
der BSZ e.V. Interessengemeinschaft Darlehenswiderruf.
Weitere Informationen können kostenlos und unverbindlich
mittels Online-Kontaktformular, Mail, Fax oder auch per Briefpost bei dem BSZ
e.V. angefordert werden.
BSZ® Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein e.V.
Lagerstr. 49
64807 Dieburg
Telefon: 06071-9816810
Direkter Link zum Kontaktformular:
Dieser Text gibt den Beitrag vom 12.11. 2015 wieder.
Eventuelle spätere Veränderungen des
Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
steff
Hat Ihnen dieser
Beitrag gefallen? Konnten wir Ihnen weiterhelfen?
Der BSZ® e.V. ist zur Finanzierung seiner dem Anleger- und
Verbraucherschutz dienenden Projekte und Aktivitäten auf Ihre finanzielle
Unterstützung angewiesen. In Frage kommen dafür sowohl kleine als auch größere
Geldbeträge. Eine finanzielle Zuwendung an den BSZ® e.V. ist die einfache und
unbürokratische Form, sich gesellschaftlich zu engagieren, gibt Ihrem
Engagement eine Stimme und trägt zur Finanzierung der BSZ e.V. Anleger-und
Verbraucherschutz Projekte bei. Danke!
Für Ihre Zuwendung können Sie den "bitte zahl en"
Button verwenden.
Rechtshinweis
Der BSZ® e.V. sorgt mit der Veröffentlichung und Verbreitung
aktueller Anlegerschutz Nachrichten, die in der Regel von Rechtsanwälten
verfasst werden, seit 1998 für aktiven Anlegerschutz. Der BSZ e.V. sammelt und
veröffentlicht entsprechende Informationen die über das Internet jedermann
kostenlos zur Verfügung stehen. Rechtsberatung wird ausschließlich von BSZ e.V.
Vertragsanwälten erbracht. Fördermitglieder des BSZ e.V. können eine erste
rechtliche Einschätzung kostenlos durch die BSZ e.V. Vertragsanwälte vornehmen
lassen.
Für Unternehmen die in unseren Berichten erwähnt werden und
glauben, dass ein geschilderter Sachverhalt unrichtig sei, veröffentlichen wir
gerne eine entsprechende Gegendarstellung. Damit wird gezeigt, dass von beiden
Seiten aktiver Anlegerschutz betrieben wird!