Donnerstag, November 12, 2015

Aufhebungsvereinbarung bei Immobilienkreditverträgen

Bei Verbraucherdarlehensverträgen ist ein Ausstieg während der Laufzeit zumeist nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung möglich. Es handelt sich meist um mehrere Tausend Euro.


Im Zuge der Rückzahlung des Darlehens wird zwischen der jeweiligen Bank, Sparkasse oder Volksbank und dem Darlehensnehmer oft eine  Aufhebungsvereinbarung geschlossen. Darin werden unter anderem die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung sowie die Modalitäten der Abwicklung geregelt.

Steht eine Aufhebungsvereinbarung einem Widerruf im Weg?

Nun stellt sich die Frage, ob ein Verbraucher, der nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, trotz etwaiger Aufhebungsvereinbarung seinen Kredit widerrufen und die entrichtete Vorfälligkeitsentschädigung zurückfordern kann.

Dazu äußert sich beispielsweise die DSL-Bank wie folgt: „Sie haben mit unserem Haus einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages sollte das Vertragsverhältnis im Interesse beider Vertragsparteien endgültig und abschließend erledigt werden. Unser Haus durfte spätestens nach Abschluss des Aufhebungsvertrages auf die abschließende Erledigung der Angelegenheit vertrauen.“

Beispiele aus der aktuellen Rechtsprechung ermutigen jedoch, eine solche Ablehnung nicht einfach hinzunehmen.

Die Frage, inwieweit eine Aufhebungsvereinbarung dem Widerruf im Weg steht, hat schon zahlreiche Gerichte beschäftigt. Die wichtigsten Entscheidungen:

Oberlandesgericht Brandenburg – Urteil vom 17.10.2012 – 4 U 194/11

Als erstes Gericht hat das OLG Brandenburg in dieser Frage zu entscheiden. Das Gericht ließ in Anlehnung an eine Entscheidung des BGH (Urteil vom 1. Juli 1997 – XI ZR 267/96) den Widerruf trotz des Abschlusses einer Aufhebungsvereinbarung zu und wies eine Klage der Sparkasse auf Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung ab.

Das OLG Brandenburg führte aus: „Eine solche Vereinbarung zwischen Darlehensnehmer und der kreditgebenden Bank über die vorzeitige Ablösung des Kredits qualifiziert der BGH zu Recht nicht als Vertragsaufhebung oder Vertragsauflösung, sondern als Modifizierung des Vertragsumfangs ohne Reduzierung des Leistungsumfangs. Damit liegt eine bloße Änderung des Darlehensvertrages vor, die den ursprünglichen Vertrag als solchen – und damit auch das Widerrufsrecht – unberührt lässt.“

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 23.03.2015 – 31 U 155/14

Das OLG Hamm, hat im März 2015 eine Bank trotz vollständiger Ablösung des Darlehens und des Abschlusses einer Aufhebungsvereinbarung zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung verurteilte.

„Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass das Widerrufsrecht des Klägers durch die im Jahr 2009 erfolgte Vertragsaufhebung gegenstandslos geworden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht einem Widerruf des Vertrags nicht entgegen, dass dieser Vertrag durch einen weiteren Vertrag abgelöst worden ist. Da dem Kläger keine korrekte Widerrufsbelehrung erteilt worden ist, kann der Widerruf – unbefristet – erfolgen. Dies gilt selbst dann, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist. Die gegenteilige Ansicht würde dem Gedanken des Verbraucherschutzes nicht gerecht.“

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 27.02.2015 – 4 U 144/14

Zwar wurde ein Widerruf trotz Aufhebungsvereinbarung für wirksam erklärt, jedoch vertritt das OLG Karlsruhe eine differenzierte Betrachtungsweise:

„Ob eine vertragliche Aufhebung eines Darlehensvertrages mit einer Vereinbarung einer Vorfälligkeitsentschädigung ein bestehendes Recht des Darlehensnehmers zum Widerruf dieses Darlehensvertrages entfallen lässt, richtet sich danach, ob der Aufhebungsvereinbarung ein auf eine Rückwirkung zielender Wille der Parteien zu entnehmen ist.“

Nach einer Auslegung der Aufhebungsvereinbarung kamen der BGH zu dem Ergebnis, dass eine auf die Vergangenheit bezogene Rückwirkung nicht beabsichtigt war. Dieser Ansicht nach müsste bei jedem Einzelfall der Wille der Parteien beim Abschluss der Aufhebungsvereinbarung genau erforscht werden.

Eine entsprechende Gestaltung des Vertrags könnte also nach Auffassung des BGH dazu führen, dass der Kreditnehmer auf sein gesetzliches Widerrufsrecht verzichtet. Und das, obwohl er zum Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung sein Widerrufsrecht noch überhaupt nicht kannte.

Diese Position erscheint problematisch, da die Bank in einem solchen Fall einen erheblichen Wissensvorteil für sich beanspruchen könnte.

Es ist dem dem LG Waldhut-Tiengen als Vorinstanz zum OLG Karlsruhe zuzustimmen, wenn dieses ausführt:

„Die Bank durfte zum Zeitpunkt der Aufhebungsverträge noch nicht berechtigter- weise darauf vertrauen, dass der Kläger von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen würde. Die Problematik mangelhafter Widerrufsbelehrungen musste der Beklagten als Bank hinreichend bekannt gewesen sein. Die Beklagte musste daher – auch aufgrund der umfangreichen Presseberichterstattung über die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu diesem Thema – damit rechnen, dass der Kläger den Sachverhalt anlässlich der Aufhebungsverträge einer rechtlichen Prüfung unterziehen lassen würde.“

Die Wirkung der Ausgleichsklauseln

Es überrascht uns nicht, dass die Banken sich den genannten Argumenten verschließen. Um den meist ahnungslosen Verbrauchern von vornherein die Möglichkeit des Widerrufs abzuschneiden, setzen zahlreiche Banken in ihren Aufhebungsvereinbarungen auf sogenannte Ausgleichsklauseln. Diese lauten etwa wie folgt:

„Nach Zahlung der vorgenannten Beträge sind alle gegenseitigen Ansprüche bezüglich der vorgenannten Darlehensbeträge abgegolten.“
„Nach Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle Ansprüche aus dem gegenseitigen Rechtsverhältnis, gleich aus welchem Rechtsgrund, ausgeglichen.“

Was von solchen Ausgleichsklauseln zu halten ist, hat das OLG Stuttgart bereits 2006 demonstriert (Urt. v. 20.11.2006 – 6 U 23/06):

„Ist in der Aufhebungsvereinbarung vorgesehen, dass „alle Ansprüche aus dem gegenseitigen Rechtsverhältnis, gleich aus welchem Rechtsgrund, ausgeglichen“ sein sollen, so bedeutet dies keinen Verzicht des Darlehensnehmers auf die Ausübung des ihm zustehenden Widerrufsrechts nach § 1 HausTürWG im Wege eines Vergleichs. Zum einem wäre ein Ausschluss des Widerrufsrechts in der Aufhebungsvereinbarung als eine zum Nachteil des Kunden abweichende Vereinbarung i.S.d. § 5 Abs. 4 HausTürWG unwirksam (Rn.52); zum anderen fehlt es an den Voraussetzungen eines Vergleichs, wenn   der Darlehensnehmer sich des Widerrufsrechts nicht bewusst war und daher den Darlehensvertrag nicht widerrufen und keine sonstigen Ansprüche geltend gemacht hatte. (…)“

Keine Abweichung zu Lasten des Verbrauchers

An dieser Stelle muss zwar angemerkt werden, dass es sich bei diesem Urteil um das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften handelte. Jedoch lassen sich diese Erwägungen problemlos auf andere Widerrufskonstellationen übertragen, da sich der Schutzzweck des Gesetzes, der Verbraucherschutz, nicht geändert hatte. So darf auch nach § 511 BGB nicht zulasten des Verbrauchers von Widerrufsvorschriften abgewichen werden. Anderweitige Gestaltungen, die diesen Grundsatz umgehen, sind unwirksam.

Folgen

Die BSZ e.V. Anlegerschutzkanzlei Steffens ist, in Anbetracht der Urteile der aufgeführten Oberlandesgerichte, der Meinung, dass ein Widerruf und die Rückforderung einer Vorfälligkeitsentschädigung auch nach Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung möglich sind. Daher raten wir betroffenen Darlehensnehmern, sich nicht von der Ablehnung der Banken einschüchtern zu lassen. Darlehensnehmer können auch nach Abschluss einer Vereinbarung aktiv werden.

Prüfen Sie die Möglichkeit eines Widerspruchs ihrer Kredit, Lebens- oder Rentenversicherungsverträge. Sie sind sich unsicher, ob bei Ihrem Vertrag eine Widerrufsmöglichkeit besteht? Für die kostenlose Erstberatung durch Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht vermittelt der BSZ e.V. seinen Fördermitgliedern bereits seit dem Jahr 1998 entsprechende Anwälte. Sie können gerne Fördermitglied des BSZ e.V. werden und sich kostenlos der von Ihnen gewünschten BSZ e.V. Interessengemeinschaft anschließen, in diesem Fall der BSZ e.V. Interessengemeinschaft Darlehenswiderruf.

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Dieser Text gibt den Beitrag vom 12.11. 2015 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des
Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
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