Zum 01.11.2012 soll das einige wesentliche Änderungen umfassende Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten neu in Kraft treten. Aus Sicht geschädigter Anleger weist es insbesondere zwei erhebliche Neuerungen auf.
Musste bisher, wer Verlauf und Ergebnis eines
Musterverfahrens zunächst abwarten wollte, früher oder später doch eine Klage
erheben, um nicht die Verjährung seiner Ansprüche zu riskieren, gibt es nunmehr
nach § 10 Abs. 2 KapMuG die kostengünstigere Möglichkeit, Ansprüche zum
Verfahren anzumelden. Der Anleger muss sich dazu von einem Rechtsanwalt
vertreten lassen, der innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Bekanntmachung
des Musterverfahrens eine bestimmten Kriterien entsprechende schriftliche
Anmeldung vornimmt. Für die bezeichneten Ansprüche wird die Verjährung gehemmt,
soweit ihnen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den
Feststellungszielen des Musterverfahrens. Die Hemmung dauert an bis drei Monate
nach rechtskräftigem Abschluss des Musterverfahrens. Bis dahin wäre, käme es
nicht zu einer anderweitigen Befriedigung der Ansprüche des Anmelders,
Leistungs- oder Feststellungsklage zu erheben.
Zudem sieht das Gesetz ausdrücklich die Möglichkeit eines
Vergleichsabschlusses zwischen Musterkläger und Musterbeklagtem vor. Findet
eine von beiden erarbeitete Lösung die gerichtliche Genehmigung, kann sich die
Wirkung auf die Beigeladenen erstrecken.
Der Gesetzgeber hat sich weiter entschieden, den
Anwendungsbereich des Kapitalanlegermusterverfahrensgesetzes moderat auf
Anlageberatungs- und Anlagevermittlungsverträge zu erweitern, so dass künftig
auch Anlageberater und Vermittler in ein Verfahren einbezogen werden könnten.
Ob das reformierte KapMuG nun ein taugliches Instrument
darstellt, die häufig auf komplexe Abläufe in individuellen
Beratungssituationen basierenden Schadensersatzansprüche unterschiedlichster
Anleger unter der angestrebten Vereinfachung und Beschleunigung insbesondere
von Gerichtsverfahren vermittels einer abschließenden Gesamtentscheidung
tatsächlich zu fördern, ist offen.
Das 2005 vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz, das
eine Bündelung von Schadensersatzklagen von Kapitalanlegern ermöglichen sollte,
hat auch nach einer bis zum 30.10.2012 verlängerten Befristung bis heute kein
rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren hervorgebracht. Wer sich beispielsweise
bei den in der Öffentlichkeit breite Beachtung gefunden habenden
VIP-Medienfondsverfahren auf diesen Weg begeben hat, dürfte bis heute weiter
auf eine Befriedigung seiner Ansprüche warten müssen. Anleger der BSZ e.V.
Anlegerschutzkanzlei Jens Graf
Rechtsanwälte, die stattdessen den „klassischen“ Weg der unmittelbaren
Inanspruchnahme des sie beratenden Kreditinstituts beschritten haben, konnten
sie zwischenzeitlich überwiegend umsetzen. Es kam u. a. zu einer Vielzahl
rechtskräftig abgeschlossener Zivilprozesse einschließlich eines vom Banksenat
des BGH als Pilotverfahren angesehenen, auch vom Bundesverfassungsgericht
„abgesegneten“ Verfahrens, dem in der Rechtspraxis faktisch die Wirkung eines
Musterbescheids zukommen dürfte.
Es wird im Einzelfall abzuwägen bleiben, ob das auf den
ersten Blick mit für den einzelnen Geschädigten geringeren Kosten verbundene
Musterverfahren genutzt werden kann, etwa durch Anmeldung von Ansprüchen, oder
die „klassische“ Einleitung eines Schadensersatzprozesses vorzuziehen ist.
Gelingt es dem Anmelder nach Abschluss eines Musterverfahrens nicht innerhalb
der dafür sehr knapp bemessenen Nachfrist von drei Monaten, seinen Fall durch
einen erfolgreichen Vergleichsabschluss zu beenden, muss er, um keine
Rechtsnachteile zu erleiden, doch noch eine mit den entsprechende Kosten
verbundene Klage erheben, selbst wenn der Verlauf des Musterverfahrens günstig
war. Die Wirkungen des Musterbescheids treffen ihn nicht unmittelbar.
Für die Prüfung von Ansprüchen aus Kapitalanlagen durch Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht, hat der BSZ e.V. verschiedene Interessengemeinschaften gegründet. Es bestehen gute Gründe hier die Interessen zu bündeln und prüfen zu lassen und der Interessengemeinschaft beizutreten.
BSZ® Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein e.V.
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Foto: Rechtsanwalt und BSZ e.V. Vertrauensanwalt Jens Graf
Foto: Rechtsanwalt und BSZ e.V. Vertrauensanwalt Jens Graf
Dieser Text gibt den Beitrag vom 31. 10. 2012 wieder.
Hiernach eintretende Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt
und können zu einer anderen Einschätzung führen.