In einem Beschluss vom 9. März 2011 (XI ZR 191/10), dem die Beteiligungen an zwei Medienfonds zugrunde lagen, beschäftigt sich der BGH erneut mit dem Thema der sog. Kickbacks (Rückvergütungen). Der BSZ® e.V. hat den Frankfurter Fachanwalt für Bank-und Kapitalmarkrecht Rechtsanwalt Klaus Hünlein von der Kanzlei Hünlein Rechtsanwälte um eine Erläuterung dieses BGH Beschlusses gebeten.
Grundsätzlich gilt, dass eine Bank, die einen Kunden über Kapitalanlagen berät und Fondsanteile empfiehlt, bei denen sie verdeckte Rückvergütungen erhält, den Kunden über diese Rückvergütungen aufklären muss. Der Hinweis auf die Rückvergütung ist notwendig, um dem Kunden den Interessenkonflikt der Bank offen zu legen. Erst durch die Aufklärung über diese Tatsachen wird der Kunde in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu beurteilen, ob die Bank ihm die Anlage nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient (BGH vom 19.12.2006, XI ZR 56/05). In einem weiteren Urteil vom 27.10.2009 (XI ZR 338/08) hatte der BGH dann entschieden, dass aufklärungspflichtige Rückvergütungen nur dann vorliegen, wenn Teile der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die Bank an die Gesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen, so dass diese ein für den Kunden nicht erkennbares besonderes Interesse hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen.
In der Folge dieses Spruchs war es in vielen Anlegerprozessen zu Auseinandersetzungen über die einzelnen Merkmale dieser Bestimmung gekommen. Der BGH ergreift jetzt die Gelegenheit und spricht einige Klarstellungen im Zusammenhang mit Rückvergütungen aus:
a) Der BGH stellt jetzt fest, dass als Quelle der Rückvergütungen nicht nur Ausgabeaufschläge und Verwaltungsgebühren in Betracht kommen, sondern jede Art von Provision. Er begründet dies damit, dass maßgebend für die Aufklärungspflicht ist, dass der Anleger ohne die Aufklärung das besondere Interesse der Bank, gerade diese Anlage zu empfehlen, nicht erkennen kann. Werde der Anleger nicht entsprechend aufgeklärt, entstehe bei ihm eine Fehlvorstellung über die Neutralität der Bank unabhängig davon, aus welcher Quelle die Rückvergütung fließt.
b) Der BGH grenzt weiter Rückvergütungen gegen Innenprovisionen ab. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind danach – regelmäßig umsatzabhängige –Provisionen, die im Gegensatz zu Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt, so dass der Anleger das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen kann.
Innenprovisionen definiert der BGH demgegenüber als nicht ausgewiesene Vertriebsprovisionen, die bei einem Fonds aus dem Anlagevermögen gezahlt werden. Aber auch über Innenprovisionen müsse aufgeklärt werden, da diese die Anlagesumme schmälern und es deswegen ohne Aufklärung zu einer Fehlvorstellung des Anlegers über die Werthaltigkeit seiner Anlage komme.
Während jedoch die Aufklärungspflicht bei Rückvergütungen nach Auffassung des BGH generell greift, gilt sie bei Innenprovisionen nur ab der Schwelle von 15 % vom Anlagebetrag. Gegen diese Unterscheidung – Rückvergütungen nur aus offen ausgewiesen Provisionen / Innenprovisionen aus dem Anlagebetrag – ist einzuwenden: Der BGH hat den Begriff der Rückvergütung aus dem Interessenkonflikt der beratenden Bank hergeleitet und daran gebunden. Dieser Interessenkonflikt besteht aber auch bei versteckten Innenprovisionen. Es gibt insoweit keinen Unterschied zwischen offen ausgewiesenen und versteckten Provisionen. Da der Interessenkonflikt der entscheidende Gesichtspunkt für die Postulierung einer Aufklärungspflicht ist, muss eine solche bei allen Provisionen gelten, die ihn heraufbeschwören. Der BGH formuliert, dass ohne die Aufklärung eine Fehlvorstellung des Anlegers über die Neutralität der Bank besteht. Doch entsteht diese Fehlvorstellung erst recht bei versteckten Innenprovisionen. Denn der Anleger rechnet, worauf bspw. das OLG Stuttgart zutreffend hingewiesen hat, hier noch viel weniger damit, dass aus seiner Anlagesumme Provisionen an seine, ihn beratende Bank zurückgezahlt wird. Er geht vielmehr davon aus, dass das Kapital bestimmungsgemäß in die Kapitalanlage fließt (OLG Stuttgart, Urteil vom 24.02.2010, 9 U 58/09). Die Argumentation von der entstehenden Fehlvorstellung über die Neutralität der beratenden Bank gilt also auch und insbesondere bei versteckten Innenprovisionen. Diese bis 15 % der Anlagesumme von der Informationspflicht auszunehmen ist daher schlicht widersinnig.
Ferner zeigt ein Blick auf die möglichen Folgen des Beschlusses, dass in Zukunft die Aufklärungspflicht der Kickback-Rechtsprechung ausgehebelt werden kann. Durch entsprechendes Produktdesign kann auf Bankenseite nämlich vorgesehen werden, dass Provisionen bis zu 15 % nicht mehr als Agio ausgewiesen werden, sondern aus dem Anlagebetrag erbracht werden.
c) Weiter hat der BGH ausgeführt, dass der Aufklärungspflichtige die die Rückvergütungen empfangende Bank namentlich zu benennen hat.
d) Der BGH bekräftigt nochmals seine Rechtsprechung, wonach ein freier, bankenunabhängiger Anlageberater nicht über Kickbacks aufzuklären braucht, weil der Bankkunde in der Regel davon ausgeht, dass bei solchen Beratern – anders als bei Banken –eine Provision anfällt
e) Weiterhin bestätigt der BGH seine Grundsätze zur Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung. Es gilt die Vermutung, dass der Anleger bei ordnungsgemäßer Aufklärung von der Investition Abstand genommen hätte. Derjenige, der die Aufklärungspflicht verletzt hat, ist danach beweispflichtig dafür, dass der Anleger die Investition auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung getätigt hätte. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt nur dann nicht, wenn eine gehörige Aufklärung beim Vertragspartner einen Entscheidungskonflikt ausgelöst hätte, weil es vernünftigerweise nicht nur eine, sondern mehrere Möglichkeiten aufklärungsrichtigen Verhaltens gab. Der BGH stellt sodann fest, dass davon jedenfalls bei Rückvergütungen, die im Verhältnis zur Anlagesumme geringfügig sind, nicht ausgegangen werden kann. Der Grund ist, dass das Vertrauensverhältnis zur Bank auch bei geringen verschwiegenen Kickbacks erschüttert ist.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass neben einigen begrüßenswerten Klarstellungen wie die unter e) beschriebene, die begriffliche und inkonsequente Differenzierung des BGH in offen ausgewiesene Rückvergütungen und versteckte Innenprovisionen abzulehnen ist. Es bleibt daher zu hoffen, dass dies in dieser Frage nicht sein letztes Wort ist.
Foto: Rechtsanwalt und BSZ e.V. Vertrauensanwalt Klaus Hünlein
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Dieser Text gibt den Beitrag vom 23.05.2011 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.