Erwerben Eheleute nacheinander Anteile an einem Fonds, reicht die einmalige Übergabe des Emissionsprospektes an einen der beiden Eheleute nicht aus. Dies entschied jetzt das Landgericht Essen (19 O 190/10) für einen Anleger eines geschlossenen Immobilienfonds.
Dem Kläger wurde Schadensersatz zugesprochen. "Dieses Urteil hilft allen Anlegern, die in Lebensgemeinschaft leben, jeder Partner aber für sich Anlagen gezeichnet hat. Der Begründung, dass die Prospektübergabe gegenüber einem der Lebensgefährten ausreicht, kann nach dem Landgericht Essen so nicht mehr gefolgt werden und ist nicht stichhaltig", erklärt BSZ e.V. Vertrauensanwalt Lutz Tiedemann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Kanzlei KWAG, die den Anleger vertritt.
Häufig zeichnen Lebenspartner die gleiche Anlage kurz nacheinander gemäß folgendem Schema: Zunächst kauft der erste Lebensgefährte einen Fonds und erhält hierzu einen entsprechenden Emissionsprospekt. Ein paar Monate später möchte der Partner nachziehen und erwirbt denselben Fonds. Der Emissionsprospekt wird dabei nicht erneut übergeben. Entwickelt sich der Fonds nicht positiv, kommt es mit der Frage nach Rückabwicklung häufig zur Forderung von Schadensersatzansprüchen. Die Frage ist dabei, ob dem Anleger der Fondsprospekt rechtzeitig übergeben worden war. Der BGH ist der Ansicht, dass eine Übergabe zum Zeitpunkt der Zeichnung nicht ausreicht. So haben viele Anlageberater die Strategie entwickelt, im Gericht zu behaupten, der Prospekt sei rechtzeitig übergeben worden, nämlich an den Lebenspartner.
In diesem aktuellen Fall zeichnete das Anlegerehepaar den geschlossenen Fonds Dubai Select Immobilienfonds GmbH & Co. KG und erhält nun die Zeichnungssummer plus Zinsen zurück. Das Landgericht Essen entschied mit Urteil vom 11.01.2011, dass eine Übergabe an den Lebenspartner bei vorhergegangener Zeichnung nicht ausreicht.
So ist das Landgericht der Ansicht:
Die Beklagte hat darüber hinaus behauptet, der Lebensgefährtin des Klägers bereits zum früheren Zeitpunkt einen Emissionsprospekt übergeben zu haben. Dem Kläger sei der Emissionsprospekt deswegen bereits vor dem 20.12.2005 bekannt gewesen. Die Frage, ob dieser streitige Beklagtenvortrag zutrifft, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn maßgeblich ist insofern nicht, ob sich der Kläger in einem Prospekt seiner Lebensgefährtin hätte informieren können. Vielmehr hätte der Kläger eines nur ihm zugedachten Emissionsprospektes bedurft. Ein solches Exemplar ist ihm jedoch unstreitig erst derart kurz vor der Zeichnung der Kapitalanlage übergeben worden, dass es ihm nicht mehr möglich war, sich anhand dieses für ihn selbst vorgesehenen Exemplars ein Bild von den näheren Umständen seiner eigenen Kapitalanlage zu machen.
So hat der Versicherungsagent, nach dem eigenen Vortrag der Beklagten dem Kläger "mehr der Formalien wegen" im letzten Beratungsgespräch noch ein eigenes Exemplar des Emissionsprospektes übergeben. Wenn der Versicherungsagent demgegenüber letztlich doch zu der Einschätzung gelangt sein sollte, dass der Kläger selbst auch ein Exemplar des Emissionsprospektes erhalten müsse, so hätte er dem Kläger diesen Prospekt jedoch rechtzeitig genug übergeben müssen.
"Wir hoffen, dass nun diese Argumentation vieler Vermittler vor Gericht jetzt nicht mehr anerkannt wird und sich so vielen Eheleuten eine höhere Chance auf Schadensersatzzahlungen bietet", so Tiedemann abschließend.
Für weitere Informationen können sich betroffene Anleger der BSZ e.V. Interessengemeinschaft „Anlageberatung unvollständig/fehlerhaft" anschließen.
Bildquelle: ©Michael Grabscheit/PIXELIO http://www.pixelio.de/
BSZ® Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein e.V.
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Dieser Text gibt den Beitrag vom 31.01.2011 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.