Die Autoindustrie insgesamt sollte aufhören, Politik und
öffentlicher Meinung zuliebe so zu tun, als ob Dieselmotoren Parfüm aus dem
Auspuff sprühen könnten.
Quelle aller
Motorkraft: der Kolben
Ob Rudolf Diesel geahnt hätte, welche Verwerfungen seine Erfindung
dermaleinst auslösen würde? Ein ganzer Konzern gerät ins Wanken, weil mit einer
Software Abgasverhalten manipuliert würde. Dabei lässt sich an diesem Fall
exemplarisch ablesen, in welcher Zwickmühle Autoentwicklung, Umweltschutz und
Verbraucherverhalten stecken.
Nach dem
Gesundschrumpfen endlich Restrukturieren
Nach außen hin habe nur noch absolute Umweltfreundlichkeit
zu gelten. Nebeneffekte von Mobilität wie Abgase solle es nicht geben. Auf der
IAA spotteten nicht umsonst Experten, wie man mit null Emissionen 100 Prozent
Leistung liefern solle, und forderten zu Recht nach dem »Downsizing« endlich
»Rightsizing«.
Das war noch einfacher, als sich Rudolf Diesel vor 120
Jahren mit Kältemaschinen befasste, also auch mit Kompression. Dabei kam ihm
die Idee, eine Maschine zu bauen, die den Kraftstoff besser ausnutzt als der
bereits vorhandene Gasmotor des Nikolaus Otto. Seine Maschine komprimierte
Luft, erhitzt sie bis zu jenem Punkt an dem Öl, das eingespritzt wird, zündet.
Er erhielt ein Patent auf seinen Dieselmotor.
Früher war er neben dem Benzinmotor der raue, ungehobelte
Geselle. Aufgrund seiner hohen Kraftentfaltung konnte er gut schwere Lastwagen
und Lokomotiven sowie Schiffe antreiben. Er drehte langsam, arbeitet mit hohem
Luftüberschuss, die Verbrennung funktioniert einigermaßen gut, fast alle
Kraftstoffpartikel können verbrannt werden. Er verbraucht wenig an Kraftstoff,
ist also sparsam. Kein Wunder, dass Motorenbauer auch den Diesel als Antrieb
für besonders sparsame PKW-Motoren wollten. Mercedes-Motoreningenieuren gelang
es zuerst, den Diesel einigermaßen zu zügeln und stellten 1936 den ersten
Dieselmotor im Personenwagen vor.
Mercedes brachte den
ersten Diesel-PKW
In den fünfziger und sechziger Jahren eroberte er sich auch
bei Personenwagen einen größeren Marktanteil; die Autokäufer freuten sich über
günstigeren Kraftstoff und sparsamere Motoren. Zum Leidwesen ihrer Nachbarn,
denn ein frühmorgendlicher Kaltstart eines Dieselmotors weckte zuverlässig
sämtliche Schlafenden auf, klang so, als würde man einen Eimer mit
Kieselsteinen über einem Blechdach ausschütten.
Mit verschiedenen Tricks versuchten die Konstrukteure, den
Diesel zu zivilisieren. Ein Trick war die Vorkammer, eine kleine Aushöhlung im
Brennraum, in der zuerst ein Teil der Verbrennung stattfand, bevor sie dann in
den Zylinderraum kam und dort den Kolben nach unten treiben konnte. Damit war
die massive, kräftige Explosion zu einem Zeitpunkt etwas verzögert und
gleichzeitig gedämpft.
Dann versuchten die Ingenieure, die einströmende Luft in
eine gezielte Drehbewegung zu versetzen, um den Diesel russärmer, leiser und
umweltfreundlicher zu machen.
Doch die Experimente erwiesen sich als kompliziert. Bilder
aus dem Inneren des Brennraumes zeigen turbulente Strömungen, Flammfronten, die
sich chaotisch ausbreiten. Es ist eben anspruchsvoll, chemische Energie in
einer Verbrennungsreaktion in mechanische umzuwandeln und die Prozesse
gleichzeitig so beherrschen zu wollen, dass wenig Abgase herauskommen. Das
gelingt trotz jahrelanger Forschung bisher immer noch nicht richtig.
Niemand weiß genau, was in den entscheidenden Millisekunden
der Explosion im Einzelnen geschieht. Niemand kann die Ausbreitung der
Flammenfronten im Brennraum genau berechnen. Was in Bruchteilen von Sekunden
bis zu 500 oder 1.000 mal in der Sekunde passiert, ist ebenfalls fast nicht im
Computer zu simulieren. Zu chaotisch ist das, was die Natur der Verbrennung uns
liefert.
Wer in eine Kerze schaut, tut sich schon schwer mit einer
genauen Beschreibung der chemischen Vorgänge. Noch schwieriger wird es bei
einem flackernden und lodernden Holzfeuer. Ganz schwierig ist es mit einer
Verbrennung im Zylinder eines Motors. Die findet zudem unter sehr verschiedenen
Umständen statt. Entsprechend heikel es, den Ausstoß an Schadstoffen zu regeln.
Schließlich läuft ein Verbrennungsmotor unter extrem unterschiedlichen
Bedingungen: im Leerlauf, langsam, schnell, bei eisiger Kälte und großer Hitze.
Entsprechend unterschiedlich sind die Verbrennungsvorgänge und mithin das
Abgasverhalten.
Je kleiner die
Rußpartikel, desto schädlicher
Dennoch gelang es, den Dieselmotor erheblich zu verbessern.
Heute werden alle unfreundlichen Stoffe zu rund 90 Prozent herausgefiltert. Was
aber dem Diesel seit Anbeginn anhaftete, war der schlechte Geruch und der Ruß,
der sich in dunklen Qualmwolken aus dem Auspuff bemerkbar machte. Das waren
verbrannte Dieselpartikel. Die sollten weg. Die Motoreningenieure erhöhten also
den Druck im Zylinder, damit der Kraftstoff bei einem höheren Sauerstoffanteil
noch mehr und besser verbrannt werden kann.
Dazu mussten sie einmal Gehäuse und Wände verstärken, aber
auch die Einspritzpumpe leistungsfähiger machen: Heute sind das wahre
Technikmonster: Mit bis zu 2.500 bar Überdruck spritzen sie bei jeder Zündung
den Kraftstoff in wenigen Tröpfchen in den Brennraum. Senkrecht in den Himmel
gehalten würde eine solche Einspritzpumpe die Kraftstoffpartikel bei diesem
Druck höher in den Himmel schießen, als jedes Flugzeug fliegt: 25 km – allerdings
unter der Voraussetzung, das der Strahl nahezu senkrecht in Ideallinie
hochfliegt und nicht zur Seite hin aufgefächert.
Unliebsame Folge: Die Rußpartikel, die aus dem Auspuff
kommen, wurden immer kleiner. Man konnte sie praktisch nicht mehr sehen. Aber
sie waren noch vorhanden und stehen unter dem Verdacht, lungengängig zu sein,
und sich sogar in der Blutbahn einnisten zu können sowie Krebs zu erzeugen.
Deshalb entwickelten die Motoreningenieure Partikelfilter.
Das konnten aber keine einfachen Filtersysteme wie beim Kaffeefilter sein; die
wären rasch mit Rußpartikeln verstopft. Der Ruß muss in regelmäßigen Abständen
verbrannt werden. Wenn möglich, ohne dass dabei das Auto in Flammen aufgeht.
Auch das gelang den Ingenieuren. Aus einem modernen Diesel-Auspuff kommen
praktisch keine Partikel mehr heraus. Dafür aber noch Abgase, die eben bei
jeder Verbrennung entstehen, solange die Ingenieure noch keine Methode gefunden
haben, eine Verbrennung ohne Abgase stattfinden zu lassen. Darunter auch das
ach so umweltschädliche Kohlendioxid, an dem die Welt gerade untergeht. Die
sollten also weg.
Präzise und damit ziemlich teure Einspritzdüsen,
Hightech-Einspritzpumpe und eine genaue Geometrie des Einspritzstrahles sollen
helfen, die Verbrennung so vollständig wie möglich ablaufen zu lassen und damit
die Abgase zu verbessern – das unter den stark wechselnden Arbeitsbedingungen
eines Automotors.
Der aktuelle Trend der Motorenbauer: Downsizing. Die Motoren
werden kleiner und kleiner gemacht nach der Regel, dass sie dann weniger Sprit
schlucken und auch weniger Abgase ausstoßen. Die vorläufige Spitze sind Motoren
mit nur noch drei Zylindern. Nur mit Mühe kann denen eine einigermaßen
akzeptable Laufruhe beigebracht werden. Denn auch da knallt es im Inneren bei
jeder Umdrehung der Kurbelwelle dreimal sehr heftig und versetzt den Motörchen
heftige Schläge. Da müssen drehende Massen sehr sorgfältig ausgeglichen werden.
Je kleiner der Motor,
desto kürzer die Haltbarkeit
Diese geringeren Verbräuche und Abgase allerdings werden mit
einer deutlich verringerten Haltbarkeit erkauft. Die kleinen Diesel sind extrem
hochgezüchtet und halten längst nicht mehr so lange wie früher ein Dieselmotor.
Und: Diese Motoren sind im Gemisch stark abgemagert. Die Menge des Kraftstoffes
wurde so weit reduziert, dass gerade noch die Verbrennung sauber stattfindet.
Das reduziert logischerweise die Menge der Abgase.
Bei plötzlichen Vollgasstellungen wird das Gemisch kräftig
angereichert, damit die Leistung zur Verfügung steht. Dabei steigen aber
natürlich auch wieder die Abgaswerte. Nun sind aber die Vollgasphasen – das
kennt jeder von sich selbst – meist nur von sehr kurzer Dauer. Etwa beim
Überholen oder beim Bergauffahren. Doch beim Abmagern steigen auch die
Temperaturen der Verbrennung. Es sind nicht genügend Tröpfchen an Kraftstoff vorhanden,
die kühlend wirken können. Und noch ein Wert steigt sehr kräftig an: unsere
Stickoxide.
Die sollen möglichst auch weg. Deswegen haben die
Umweltbewegten in Behörden und NGOs neue Grenzwerte aufgelegt, so dass
hierzulande nach der europäischen Norm EU 6 nur noch 80 mg NOX pro Kilometer
als Höchstwert aus dem Auspuff kommen darf. In Amerika gelten sogar noch
strengere Grenzwerte mit der Hälfte an erlaubten Stickoxiden. Das können sich
amerikanische Umweltschützer erlauben: Es trifft amerikanische Autofahrer in
der Regel nicht. Denn die fahren langsam drehende, großvolumige Benzinmotoren,
die von Haus aus wenig Probleme mit Stickoxiden haben. Außerdem halten die
wesentlich länger als die downgesizten, mit Turbos aufgeladenen Dieselmotörchen
in Europa.
Die allerdings kauft in Amerika niemand. Das war bisher das
Problem von VW.
Um Abgase messen und auch herstellerübergreifend miteinander
vergleichen zu können, müssen Grenzwerte her. Vorher muss man definieren, wie
sie gemessen werden sollen. Nur schwer sind Abgasmessungen im Straßenverkehr
möglich. Dazu muss die gesamte Messanalytik in den Kofferraum eingebaut werden.
Das aber ist noch nicht alles, denn jetzt kommt es darauf an, wie, wo und
welche Strecken bei welchen Witterungsbedingungen gefahren werden?
Denn wir kennen das: Der eine Fahrer benötigt 12 Liter auf
100 Kilometer, der andere dagegen bewegt sein Fahrzeug so, dass er mit 8 Liter
auskommt. Alte Regel: Im Gasfuß des Autofahrers steckt das größte
Sparpotential; da können sich die Motoreningenieure noch so sehr anstrengend.
Es müssen also vergleichbare Bedingungen geschaffen werden,
damit Autos auch verschiedener Hersteller in ihrem Abgasverhalten messbar sind.
Motorenbauer und Behörden haben sich daher auf »Prüfzyklen« geeinigt. Auf
Rollenprüfständen wird der Wagen mit verschiedenen Belastungen gefahren, ein
kurzes Stück, das Stadtfahrten simulieren soll mit wechselnden
Beschleunigungen, relativ gleichmäßigen Fahrten über Landstraßen und
Autobahnen. Das alles bei gleichbleibenden Temperaturen.
Fragwürdige
Grenzwerte, unaufrichtige Politik
Dass diese künstlichen Zyklen im Labor nicht viel mit
alltäglichen Fahrten zu tun haben, liegt auf der Hand – und weiß jeder
Beteiligte in Industrie und Politik. Die Grenzwerte sind natürlich wiederum ein
Kompromiss. Man könnte auch Kuhhandel sagen. Nur sind Normen immer
Industriepolitik. Wer das Auto politisch kaputtmachen will, kann das gut
darüber tun. Er sollte allerdings nicht vergessen, dass immer noch die
Autoindustrie eine der Schlüsselindustrien ist, in der das Geld verdient wird,
das hier so bereitwillig verpulvert wird. Nur befindet sie sich seit langem
nicht mehr auf dem aufsteigenden Ast.
Das ändert nichts an der Aufgabe der Motoreningenieure:
Ihnen will es partout nicht gelingen, aus Nichts alles zu machen, 100 %
Leistung bei Nullemissionen – das verstößt einfach gegen die Physik.
Rudolf Diesel ging übrigens von Bord, oder besser: über
Bord. Er verschwand 1913 von einem Schiff auf dem Ärmelkanal. Das sollte ihn
von Antwerpen nach Harwich bringen. Er wollte in England an einer Sitzung
seiner englischen Gesellschaft teilnehmen. Deren Geschäfte liefen gerade sehr
schlecht.
Dieselfahrer die der Rückrufaktion von VW wegen des Softwareupdates
gefolgt sind klagen nunmehr, wenn man den Berichten in den einschlägigen
Internetforen glauben kann, über aufgetretene Folgeschäden. In vielen Fällen
werden Versottungsschäden durch Rußablagerungen genannt, aber auch
Moternruckeln und Treibstoffmehrverbrauch werden genannt. Andere haben keine
Probleme.
Wer dem VW-Abgasrückruf
nicht folgt, dem wollen die Behörden das Fahrzeug stilllegen.
Besitzer betroffener Fahrzeuge, die ihr Auto nicht
stillgelegt haben möchten, sind also gezwungen dem Rückruf ihres Herstellers
Folge zu leisten. Betroffene
Autobesitzer sollten sich, ehe sie etwas unternehmen und dann später eventuell
Nachteile in Kauf nehmen müssen, auf alle Fälle von einem Anwalt rechtlich beraten lassen.
Für viele betroffene
Dieselfahrer kommt nun das BSZ e.V. Angebot einer kostenlosen Erstberatung
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