Bundesgerichtshof entscheidet erneut zu Beratungspflichten einer Bank bei Abschluss von Zinssatz-Swap-Verträgen mit einer Kommune in Nordrhein-Westfalen.
Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich erneut mit den Pflichten
von Banken beschäftigt, die eigene
Zinssatz-Swap-Verträge empfehlen. Die
Klägerin, eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen mit rund 16.000 Einwohnern, und die Rechtsvorgängerin der
Beklagten, die WestLB (künftig einheitlich:
Beklagte), vereinbarten unter anderem am 9. November 2006 einen "Kündbaren Zahler-Swap" mit
einem Bezugsbetrag in Höhe von 3.779.573,89 Euro. Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung
eines festen Zinses von 6,44% p.a. Die Beklagte
übernahm die Zahlung eines Zinses in Höhe
des 3-Monats-Euribors.
Weiter einigten sich die Parteien am 12. März 2008 auf einen "Digitalen
Zinsumfeld-Swap". Danach schuldete die Klägerin zunächst einen festen und sodann
einen Zins von entweder 2,25% p.a. oder
6,95% p.a., wobei die Zahlungspflicht davon abhing, ob eine
"Digitalbedingung" erfüllt war. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung eines festen Zinses in Höhe von 3%
p.a. aus dem Bezugsbetrag von 3 Mio. ?.
Zugleich mit dem Abschluss des Zinssatz-Swap-Geschäfts einigten sich die Parteien darauf, einen
anderen Swap-Vertrag aufzulösen, und
preisten die aus diesem Vertrag resultierende negative Vertragsposition der Klägerin in das neue
Geschäft ein.
Am 16. November 2009
schlossen die Parteien einen "CHF-Plus-Swap". Nach diesem Vertrag war
die Beklagte zur Zahlung eines festen Zinses in Höhe von 3% p.a. auf den
Bezugsbetrag von 8 Mio. Euro verpflichtet. Die Klägerin schuldete einen variablen Zins, der ausgehend von einem
EUR/CHF-Wechselkurs von 1,4350 an dessen
weitere Entwicklung gekoppelt war. Unterschritt der Wechselkurs zu bestimmten Stichtagen diese
Grenze, ergab sich ein Aufschlag auf den
in jedem Fall zu zahlenden Zinssatz von 2,5% p.a. Zeitgleich lösten die Parteien einen weiteren
Swap-Vertrag ab. Dabei berücksichtigten
sie den Umstand, dass die Klägerin der Beklagten aus dem abgelösten Swap-Vertrag zur Leistung einer
Ausgleichszahlung verpflichtet gewesen
wäre, bei der Gestaltung der Vertragspositionen im Rahmen des "CHF-Plus-Swaps". Bei
allen drei streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträgen
war der Marktwert bei Abschluss aus Sicht der Klägerin in Höhe von mindestens rund 2,9% des
jeweiligen Bezugsbetrags negativ.
Jedenfalls über die Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts unterrichtete die Beklagte die Klägerin nicht.
Dem Antrag der Klägerin auf Zahlung und Feststellung hat das
Landgericht teilweise, das
Berufungsgericht auf die Berufung der Klägerin (von einem geringen Teil der geltend gemachten Forderung
abgesehen) in Gänze entsprochen. Die
Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht
zurückgewiesen. Auf die vom Berufungsgericht zugelassene
Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil
aufgehoben, soweit das Berufungsgericht zum
Nachteil der Beklagten erkannt hat, und die
Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Der Bundesgerichtshof hat dabei die Annahme des
Berufungsgerichts bestätigt, zwischen den Parteien seien im Zuge des Abschlusses
der Zinssatz-Swap-Verträge Kapitalanlageberatungsverträge zustande gekommen. In
Übereinstimmung mit seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. Pressemitteilungen
Nr. 46/2011, Nr. 8/2015 und Nr. 70/2015) hat der Bundesgerichtshof indessen
nochmals bekräftigt, dass entgegen der Annahme des Berufungsgerichts die
beratende Bank über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts in
einen mit ihr selbst geschlossenen Zinssatz-Swap-Vertrag nicht unter dem
Gesichtspunkt einer objektgerechten Beratung, sondern aufgrund eines
schwerwiegenden Interessenkonflikts
aufklären muss. Er hat weiter dahin erkannt, das Berufungsgericht habe
Vorbringen der Beklagten nicht als unbeachtlich beiseitelassen dürfen, die für
die Klägerin verantwortlich Handelnden hätten, was die Klage unbegründet
gemacht hätte, in Kenntnis des Einpreisens eines anfänglichen negativen
Marktwerts als solchem die Zinssatz-Swap-Verträge mit der Beklagten
abgeschlossen, ohne an dessen konkreter Höhe interessiert zu sein.
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom heutigen Tag die
Grundsätze aus seinem Urteil vom 28.April 2015 zur Verjährung wiederholt (vgl.
Pressemitteilung Nr. 70/2015). Er hat außerdem zwei weitere für die Praxis
relevante Fragen entschieden.
Zum einen hat er Ausführungen dazu gemacht, wann ein
Zinssatz-Swap-Vertrag konnex auf einen Darlehensvertrag bezogen ist, so dass
die beratende Bank ausnahmsweise nicht auf einen schwerwiegenden
Interessenkonflikt hinweisen muss. Um konnex zu sein, muss der
Zinssatz-Swap-Vertrag mit der Bank geschlossen werden, die zugleich
Darlehensgeberin des Kunden ist. Der Bezugsbetrag des Zinssatz-Swap-Vertrags muss der zur
Rückzahlung ausstehenden Valuta eines bereits bestehenden oder zeitgleich
abgeschlossenen Darlehensvertrags entsprechen oder darf ihn jedenfalls nicht
übersteigen. Die Laufzeit des Zinssatz-Swap-Vertrags muss bei variabel
verzinslichen Darlehen der des Darlehensvertrags und bei Festzinsdarlehen der
Laufzeit der Zinsbindung gleichstehen oder darf sie jedenfalls nicht überschreiten. Die
Zahlungspflichten der Bank müssen sich mit dem vom Kunden in dem zugeordneten
Darlehensvertrag übernommenen variablen
oder festen Zins mindestens im Sinne einer partiellen Absicherung gegenläufiger
Zinsrisiken decken. Die Bank muss jeweils
zum gleichen Stichtag entweder den auf denselben Basiswert, etwa einen Referenzzinssatz, bezogenen variablen
Zinssatz des Kunden aus dem Darlehensvertrag
im Tausch gegen einen festen Zins übernehmen oder dem Kunden den von ihm aus
dem Darlehensvertrag geschuldeten Festzins gegen einen variablen Zins zahlen. Konnex sind
mithin Zinssatz-Swap-Verträge, die
wirtschaftlich betrachtet zumindest partiell entweder ein variabel
verzinsliches Darlehen in ein synthetisches Festzinsdarlehen oder ein
Festzinsdarlehen in ein synthetisch variabel verzinsliches Darlehen
umwandeln.
Zum anderen hat der Bundesgerichtshof Ausführungen zur
Vorteilsausgleichung gemacht. Danach kann ein Vorteil anzurechnen sein, der daraus resultiert, dass der geschädigte
Anleger aufgrund eines auf demselben
Beratungsfehler beruhenden Willensentschlusses zugleich mit dem und wegen des
Abschlusses eines (neuen) Zinssatz-Swap-Vertrags, bei dem er nicht über das Einpreisen eines
anfänglichen negativen Marktwerts unterrichtet
worden ist, einen anderen ihm nachteiligen Swap-Vertrag ablöst. Dieser Vorteil, der dem negativen
Marktwert des Altvertrags im Zeitpunkt seiner Auflösung entspricht, ist unter
Wertungsgesichtspunkten allerdings dann nicht anzurechnen, wenn der Anleger
schon zum Abschluss des Altgeschäfts durch eine schuldhafte Pflichtverletzung
der beratenden Bank veranlasst worden ist, ohne dass es darauf ankäme, ob
Ansprüche wegen der früheren Beratungspflichtverletzung verjährt sind.
Urteil vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14
Vorinstanzen:
LG Köln - Urteil vom 12. März 2013 - 21 O 472/11
OLG Köln - Urteil vom 13. August 2014 - 13 U 128/13
Quelle: Mitteilung Nr. 060/2016 vom
22.03.2016 der Pressestelle des Bundesgerichtshofs
Fazit des BSZ e.V.:
Trotz klarer Rechtssprechung gibt es immer noch viele
Swap-Kunden, die sich nicht gegen ihre Verluste wehren. Die Rechtssprechung zu
Gunsten der Kunden ist eindeutig. Kaum
eine Bank, die ihren Kunden ein Zinsswap-Geschäft verkauft hat, ist ihrer
Aufklärungspflicht nachgekommen. Dies stellte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits
im April 2015 in einem Urteil (Az.: IX ZR 378/13) fest. Darin hatten die
Richter noch einmal klargestellt, dass eine Bank, die einen
Zinssatz-Swapvertrag empfiehlt, grundsätzlich verpflichtet ist, darüber
aufzuklären, dass sie ihre Kosten und ihren Netto-Gewinn bereits in das Produkt
einstrukturiert hat. Das hat nämlich zur Folge, dass der Marktwert bei
Vertragsabschluss für den Kunden negativ ist. Dieses Urteil, so der BGH, gelte
grundsätzlich und unabhängig von der Komplexität der Swap-Verträge. Die
Verpflichtung zur Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert umfasst,
so der Bundesgerichtshof, die Verpflichtung zur Information auch über seine
Höhe. Nur bei Kenntnis auch der Höhe des anfänglichen negativen Marktwertes
kann der Kunde das eigene Interesse der Bank an der Empfehlung des
Swap-Vertrages richtig einschätzen.
„Alle Kunden, die über diesen negativen Marktwert bei
Vertragsabschluss nicht aufgeklärt wurden“, so die BSZ e.V.
Anlegerschutzanwälte „können somit aus diesem Vertrag aussteigen. Denn die
Erfüllung der Aufklärungspflicht der Bank, die zugleich Vertragspartner des
Swaps ist, dürfte eher die Ausnahme gewesen sein.“
Wie sich jetzt wieder zeigt so lohnt es sich, derartige
Geschäfte gegebenenfalls auch gerichtlich überprüfen zu lassen. Viele Anleger, die solche Swap Geschäfte
abgeschlossen haben, scheuen das Kostenrisiko. Zu beachten ist aber, dass nur
derjenige, der vor Gericht unterliegt, die Kosten des Verfahrens zu tragen
hat"
Ansprüche der Anleger können verjähren, so dass eine
vorherige Prüfung in solchen Fällen sinnvoll ist. Nach Mitteilung der BSZ e.V.
Anlegerschutzanwälte sollten derartige Fragestellungen immer vorab möglichst
zeitnah geklärt werden, damit nicht mögliche Fristen versäumt werden.
Sollten betroffene Anleger annehmen, im Zusammenhang mit dem
Abschluss von Swapverträgen schlecht oder gar falsch beraten worden zu sein,
stehen ihnen die BSZ e.V. Vertrauensanwälte für eine erste Einschätzung ihrer
Ansprüche und Erfolgsaussichten bei der Geltendmachung von Schadenersatz gerne
zur Verfügung.
Weitere Informationen so wie ein Antrag zur Aufnahme in die
BSZ e.V. Interessengemeinschaft Zinswetten/Swap-Geschäfte können kostenlos und
unverbindlich mittels Online-Kontaktformular, Mail, Fax oder auch per Briefpost
bei dem BSZ e.V. angefordert werden.
BSZ® Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein e.V.
Lagerstr. 49
64807 Dieburg
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Bildquelle: © H.D.Volz / pixelio.de
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durchgeführt. Fördermitglieder des BSZ e.V. können eine erste rechtliche
Einschätzung kostenlos durch BSZ e.V. Vertragsanwälte vornehmen lassen.
Für Unternehmen die in unseren Berichten erwähnt werden und
glauben, dass ein geschilderter Sachverhalt unrichtig sei, veröffentlichen wir
gerne eine entsprechende Gegendarstellung. Damit wird gezeigt, dass hier
aktiver Anlegerschutz betrieben wird.
Dieser Text gibt den Beitrag vom 23.03.2016 wieder.
Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.