Bei den Schiffsfonds jagt eine Hiobsbotschaft die andere: Betriebsfortführungskonzepte scheitern reihenweise, Insolvenzen stehen mittlerweile auf der Tagesordnung. Den Anlegern drohen hierbei Milliardenverluste. Das Produkt Schiffsfonds scheint vor dem Aus zu stehen. Der BSZ e.V. sprach deshalb mit dem BSZ e.V.-Vertrauensanwalt Dr. Heinz O. Steinhübel, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
Bund für soziales und
ziviles Rechtsbewusstsein: Herr Dr. Steinhübel, was ist bei den Schiffsfonds eigentlich falsch
gelaufen?
Dr. Steinhübel: Die Gründe für die wirtschaftliche
Misere der Schiffsfonds sind vielseitig. Vereinfacht kann man aber sagen, dass
aufgrund eines Überangebots von Schiffen einerseits und des weltweiten Konsumrückgangs
andererseits die Schiffe kein kostendeckendes Niveau mehr erreichen.
BSZ: Sie sprechen von Überkapazitäten,
wie konnte es hierzu kommen?
Dr. Steinhübel: Bis zur weltweiten Wirtschafts- und
Finanzkrise im Jahre 2008 waren Schiffsfonds der Renner unter den geschlossenen
Fonds. Der Containerumschlag boomte und die Schiffe konnten satte Gewinne
verbuchen, welche zudem seit einer Gesetzesänderung im Jahre 1999 nur einer
sehr geringen Versteuerung unterliegen. Die Renditen für die Anleger waren daher
beträchtlich. Da man weiterhin von einem wachsenden Markt ausging, galten
solche Schiffsfondsbeteiligungen auch als überwiegend sicher. Hohe Renditen,
steuerliche Vorteile und Sicherheit waren seither die Verkaufsargumente der
Banken und freien Finanzdienstleister. Die Emissionshäuser nahmen dies zum
Anlass und platzierten im Laufe der Zeit unzählige Schiffsfonds. Das Angebot
reicht mittlerweile von sogenannten Einzelfonds, über Flottenfonds bis hin zu
Dachfonds. Bis heute konnten über 250.000 deutsche Anleger mit einem
Investitionsvolumen von rd. 30 Mrd. Euro für diese Form der Kapitalanlage
gefunden werden. Ein Ende scheint hingegen nicht in Sicht. Immer noch kommt es
seitens der koreanischen und chinesischen Werften aufgrund vergangener Aufträge
zu Neubauablieferungen. Der Markt wurde und wird damit regelrecht überschwemmt.
Ein gesundes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage gibt es schon lange
nicht mehr.
BSZ: Warum hat sich die Prognose, der
Markt werde weiter wachsen, nicht bewahrheitet?
Dr. Steinhübel: Als die Immobilienblase in den USA
platzte und weltweit zahlreiche Banken einknickten, kam es nur noch zu einer
sehr restriktiven Kreditvergabe. Vor allem mittelständische Unternehmen, welche
auf kurzfristige Kredite angewiesen waren, gerieten hierdurch in
Liquiditätsengpässe. Aufträge blieben aus oder konnten gar nicht erst
ausgeführt werden. Kündigungen und Kurzarbeit prägten die Arbeitsmärkte, was
wiederum dazu führte, dass Verbraucher ihre Gelder zurückhielten und den Konsum
stark zurückschraubten. Die geringe Nachfrage auf privater und
unternehmerischer Seite hatte auch zur Folge, dass deutlich weniger Handel
betrieben wurde. Allein im Hamburger Hafen ging der Containerumschlag bereits
Ende 2008 stark zurück und erreichte 2009 ein Minus von ca. 30%. Ein Rückgang
mit verheerenden Folgen.
BSZ: Nun haben sich ja auch weite Teile
der Weltwirtschaft wieder erholt, Banken wurden gestützt und Vertrauen wurde
wieder hergestellt. Wieso kommen die deutschen Schiffsfonds dennoch nicht mehr
in Fahrt?
Dr. Steinhübel: Der Grund hierfür ist insbesondere
konzeptioneller Natur. Das Gesamtfinanzierungsvolumen der allermeisten
Schiffsfonds in Deutschland besteht zu einem Teil aus Eigenkapital der Anleger
und zu einem anderen Teil aus Fremdkapital, wobei letzteres in aller Regel
überwiegt. Die kreditfinanzierenden Banken wollen natürlich ihre
Darlehensforderungen bedient wissen. Da die Fremdkapitalquote oftmals bei 60%
und mehr liegt, haben die Schiffe der Fonds mächtig zu rudern, um die für die
jährlichen Tilgungsraten erforderlichen Einnahmen überhaupt erwirtschaften zu
können. Verschärfend kommt hinzu, dass die Kredite häufig in einer fremden
Währung valutieren, d.h., entwickeln sich die Kurse ungünstig, werden die
Kredite schnell zu einem Fass ohne Boden. Über Rücklagen verfügen die
Schiffsfonds meistens auch nicht, da weite Teile des Eigenkapitals für horrende
Provisionen für den Vertrieb und sonstige weiche Kosten verwendet werden. Viel
bleibt da nicht mehr übrig. Man kann sagen, dass die Schiffsfonds überempfindlich
konzipiert wurden und sehr schnell mit dem Rücken zur Wand stehen, wenn die
Charterraten nicht mehr ausreichen. Genau dieses Szenario macht nun die Runde.
Ein Überangebot von Schiffen auf dem Markt sowie eine nach wie vor schwächelnde
Konjunktur drücken die Charterraten. Viele der Schiffe wurden deshalb auch
schon zum Auflieger, also arbeitslos. Banken sehen sich diese Entwicklung
natürlich nicht gerne an und drohen damit, aus der Finanzierung auszusteigen.
Das Schicksal eines Fonds ist dann schnell besiegelt.
BSZ: Wie versuchen sich die
Fondsgesellschaften hier zu helfen?
Dr. Steinhübel: In letzter Zeit kann man verstärkt
beobachten, wie die Fondsgesellschaften versuchen, sog.
"Betriebsfortführungskonzepte" umzusetzen. In aller Regel werden die
betroffenen Anleger aufgefordert, Ihre Ausschüttungen zurückzuzahlen oder den
Fondsgesellschaften neues Kapital zur Verfügung zu stellen. Bis auf wenige
Ausnahmen waren die angedachten Konzepte aber nicht dauerhaft tragfähig,
sondern erwiesen sich allenfalls als Strohfeuer. Im Falle der Zuführung von
Neukapital haben die Anleger meistens gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen.
BSZ: Erst kürzlich berichtete die
Financial Times Deutschland, dass die Lloyd Fonds AG beabsichtigt, notleidende
Fonds in eine sog. "Auffanggesellschaft" auszugliedern. Kann man sich
hiervon etwas erhoffen?
Dr. Steinhübel: Auffanggesellschaften machen nur
dann Sinn, wenn das insolvenzgefährdete Unternehmen konkurrenzfähige Produkte
oder Dienstleistungen anbieten kann. Nur in diesem Fall ist der Weiterbetrieb
über die Auffanggesellschaft sinnvoll. Genau hier besteht aber das wesentliche
Problem. Die von der Lloyd Fonds AG geplante Auffanggesellschaft namens
"Ocean 16", bei der 16 sogenannte Einschiffsgesellschaften zusammengeführt
werden sollen, wird keine Neuerungen für den Markt bringen. Es ist nicht damit
zu rechnen, dass sich diese Flotte besser verchartern oder zu besseren
Konditionen vermarkten lässt als andere. Der Markt bestimmt die Nachfrage und
insoweit gibt es modernere und vor allem jüngere Flotten, die derzeit das
gleiche Problem haben. Selbst wenn man sich von einer solchen
Auffanggesellschaft einen Vorteil erhoffen mag, so werden unterm Strich
allenfalls die Banken davon profitieren. Rückflüsse an die Anleger dürften die
Ausnahme bleiben.
BSZ: Was ist denn nun sozusagen der
"worst case" für die Fonds bzw. für die betroffenen Anleger?
Dr. Steinhübel: Im schlimmsten Fall droht dem
Schiffsfonds die Zahlungsunfähigkeit. Regelmäßig ist das der Fall, wenn der
Fonds seinen Darlehensverbindlichkeiten nicht mehr nachkommen kann. Das
Prozedere ist dann immer dasselbe. In einem ersten Schritt fordert der
Insolvenzverwalter in aller Regel von den Anlegern die erhaltenen
Ausschüttungen zurück. In einem zweiten Schritt kommt dann das Fondsvermögen
unter den Hammer. Die Schiffe werden hierbei regelmäßig weit unter dem
eigentlichen Wert verkauft. Häufig reicht der Erlös nicht einmal mehr aus, um
die noch ausstehenden Kreditverbindlichkeiten zu bedienen. Anleger erleiden
dann den gefürchteten Totalverlust ihrer
Einlage.
BSZ: Sind denn jetzt alle Anlagegelder
in Schiffsfonds verloren?
Dr. Steinhübel: Nein, die Erfahrung zeigt immer
wieder, dass Schiffsfondsbeteiligungen zu den meisten Anlegern überhaupt nicht
passen. Hintergrund für das Fehlinvestment ist häufig eine mangelhaft
durchgeführte Anlageberatung. Banken und freie Finanzdienstleister scheuen
regelmäßig eine ordnungsgemäße Aufklärung über die gesellschaftsrechtlichen und
wirtschaftlichen Risiken einer solchen Fondsbeteiligung, da sie genau wissen,
dass sie diese Form der Kapitalanlage sonst nicht verkauft bekommen. Gerade
aber der Verkauf solcher Fondsanteile spielt dem Vertrieb die meisten
Provisionen ein. Anleger wissen hiervon meistens nichts und vertrauen
insbesondere bei ihrer Hausbank auf eine objektive Beratung. Die Rechtsprechung
hat sich hier sehr anlegerfreundlich entwickelt und die Banken verstärkt in die
Pflicht genommen. Neben einer sog. "anlage- und anlegergerechten
Beratung" schulden Kreditinstitute zudem eine Aufklärung über die
erhaltenen Provisionen. Werden die Aufklärungspflichten verletzt, stehen dem
Anleger Schadensersatzansprüche zu, die ihn Rückabwicklung der Fondsanteile
berechtigen. Er muss dann so gestellt werden, als hätte er die Fondsanteile nie
erworben. Die Zeit wird quasi zurückgedreht.
BSZ: Wie sind die Erfolgsaussichten
eines solchen Schadensersatzprozesses zu beurteilen?
Dr. Steinhübel: Es kommt natürlich immer auf den
Einzelfall an. Bei sorgfältiger Bearbeitung des Falles sind aber sehr häufig positive
Ergebnisse zu erzielen. Die Kanzlei Dr. Steinhübel Rechtsanwälte hat schon in
zahlreichen Fällen bei geschlossenen Fondsbeteiligungen obsiegende Urteile
erstritten. Oftmals konnten bei den Schiffsfonds auch außergerichtliche
Vergleiche mit Banken geschlossen werden.
BSZ: Herr Dr. Steinhübel, vielen Dank
für das Gespräch.
Für die Prüfung von Ansprüchen aus Kapitalanlagen in Schiffsfonds durch Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht, hat der BSZ e.V. die Interessengemeinschaft "Schiffsfonds" gegründet. Es bestehen gute Gründe hier die Interessen zu bündeln und prüfen zu lassen und der Interessengemeinschaft beizutreten.
BSZ® Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein e.V.
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Anlegerschutzgemeinschaft:
Foto: Rechtsanwalt und BSZ e.V. Vertrauensanwalt Dr. Heinz O. Steinhübel
Dieser Text gibt den Beitrag vom 16. Juli 2012 wieder. Hiernach eintretende Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt und können zu einer anderen Einschätzung führen.
Dieser Text gibt den Beitrag vom 16. Juli 2012 wieder. Hiernach eintretende Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt und können zu einer anderen Einschätzung führen.
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