BGH: Keine Zusammenrechnung von Agio und Innenprovisionen bei Berechnung der 15%-Schwelle zur Aufklärungspflicht über Vertriebskosten - BGH, Beschluss vom 26.02.2015 - III ZR 19/14; OLG Schleswig, Urteil vom 19.12.2013 - 5 U 73/13
Der BGH hat in einem am 26.2.2015 ergangenen Beschluss ein Urteil des OLG Schleswig bestätigt, wie die Grenze von 15 % zu berechnen ist, oberhalb derer nach der Rechtsprechung des BGH im Rahmen der Anlageberatung bzw. -Vermittlung über anfallende Vertriebskosten ungefragt aufgeklärt werden muss. Diese Klarstellung ist für die Praxis bei Klagen im Kapitalanlagerecht sehr wichtig.
Zum Hintergrund:
Die Auswirkungen der Finanzkrise haben eine Vielzahl von Anlageprodukten wie geschlossene Fonds in wirtschaftliche Schieflage gebracht. Nun versuchen viele Anleger, sich nachträglich von ihren unliebsamen Anlagen zu trennen. Dazu wird regelmäßig die beratende Bank bzw. der Anlageberater / -vermittler in Regress genommen, dem dann Aufklärungspflichtverletzungen zu dem erworbenen Produkt vorgeworfen werden.
Ein Vorwurf ist die Behauptung, der Anleger sei nicht über die Vertriebskosten der Anlage aufgeklärt worden, die nicht selten 15 % oder mehr der Anlagesumme betragen. Dies kommt besonders bei Schiffsfonds vor.
Hierzu hatte der für freie Anlageberater zuständige III. Zivilsenat des BGH schon vor langer Zeit entschieden, dass über die Höhe von Innenprovisionen ungefragt aufzuklären ist, wenn diese die Schwelle von 15 % überschreiten (BGH, Urteil vom 12.02.2004 - III ZR 359/02). Ab dieser Größenordnung sei die Werthaltigkeit der Anlage in einem Maße betroffen, dass der Anleger hierüber aufgeklärt werden müsse.
Der für Banken zuständige XI. Zivilsenat des BGH hat erst im vergangenen Jahr entschieden, dass diese Aufklärungspflicht auch für Banken gilt - jedenfalls spätestens ab 01.08.2014 (BGH, Urteil vom 3. 6. 2014 - XI ZR 147/12).
Viele Anbieter geschlossener Fonds hatten sich hierauf offenbar eingerichtet und die Vertriebskosten wohl im Hinblick auf diese Rechtsprechung regelmäßig knapp unter der Schwelle von 15 % (ohne Agio) kalkuliert.
In der gerichtlichen Praxis ist die Frage, wie diese 15 %-Grenze zu berechnen ist, besonders umstritten.
Denn wird eine Aufklärungspflicht wegen Überschreitung dieser Grenze bejaht, muss nachgewiesen werden, dass der Kunde hierüber aufgeklärt wurde (bspw. durch rechtzeitige Prospektübergabe oder mündlich).
Die Praxis der Zivilgerichte zu dieser Frage ist bislang uneinheitlich. Manche Gerichte setzen die prospektierten Vertriebskosten (ohne Agio) ins Verhältnis zum Eigenkapital des Fonds (ebenfalls ohne Agio). Andere setzen die Vertriebskosten mit Agio ins Verhältnis zum Anlagekapital mit Agio. Wiederum andere setzen die Vertriebskosten mit Agio ins Verhältnis zum Anlagekapital ohne Agio. Es wurde also fast alles vertreten.
Von der Berechnungsweise des Gerichts kann unter Umständen der Ausgang des Prozesses abhängen, wie folgendes Beispiel verdeutlicht:
Fonds: 100 Mio. € Anlegerkapital, 14.940.000 € Vertriebskosten, 5.000.000 € Agio.
Vertriebskosten ohne Agio / Anlagekapital ohne Agio: 14,94 % -> keine Aufklärungspflicht
Vertriebskosten mit Agio / Anlagekapital mit Agio: 18,99 % -> Aufklärungspflicht
Vertriebskosten mit Agio / Anlagekapital ohne Agio: 19,94 % -> Aufklärungspflicht
Der BGH hat nun durch Beschluss vom 26.02.2015 – III ZR 19/14 die Nichtzulassungsbeschwerde einer Anlegerin gegen ein Urteil des OLG Schleswig zurück- gewiesen und damit das Urteil des OLG Schleswig bestätigt. Damit steht fest, dass Agio und Innenprovisionen zur Berechnung der 15 %-Grenze nicht zusammen- zurechnen sind (OLG Schleswig, Urteil vom 19.12.2013 - 5 U 73/13). Das OLG Schleswig hatte hierzu in seiner Entscheidung ausgeführt:
Eine Aufklärungspflicht ergibt sich auch nicht dadurch, dass der Beklagten im vorliegenden Falle eine Rückvergütung und eine Innenprovision in Höhe von insgesamt 17,5 Prozent des Anlagebetrages als Vertriebsprovision zugeflossen sind. Eine Addition dieser beiden Beträge kommt nicht in Betracht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verfolgt die verbindliche Aufklärung über Rückvergütungen und Innenprovisionen unterschiedliche Zwecke: Die Rechtsprechung wegen Rückvergütungen trägt der Befürchtung Rechnung, die Bank könne ihre Anlageempfehlungen nicht allein im Kundeninteresse nach den Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung abgeben, sondern zumindest auch in ihrem eigenen Interesse, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten (BGH WM 2010, 885, juris-Rn. 10). Demgegenüber dient die Rechtsprechung zur Aufklärungspflichtigkeit von Innenprovisionen dem Ziel, dem Anleger den Wert der Anlage zu erhalten. Vertriebsprovisionen von mehr als 15 % eröffnen nämlich Rückschlüsse auf eine geringere Werthaltigkeit und Rentabilität der Kapitalanlage, was wiederum einen für die Anlageentscheidung derart bedeutsamen Umstand darstellt, dass der Anlageinteressent hierüber informiert werden muss (BGH WM 2011, 640, juris-Rn. 16).
Obwohl die Zusammenrechnung von Agio und Innenprovisionen der Kern des Rechtsstreits schon in der Berufungsinstanz war und obwohl die Anlegerin auch ihre Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH im Wesentlichen auf die Frage der Berechnung konzentrierte, sah der BGH keine Veranlassung, sich mit der aufgeworfenen Rechtsfrage zu befassen.
Dies wiederum lässt darauf schließen, dass der BGH seine bisherige Rechtsprechung hierzu offenbar für eindeutig und das Urteil des OLG Schleswig für zutreffend hält. Folglich ist das Agio nicht in die Berechnung der 15%-Grenze mit einzubeziehen.
BGH, Beschluss vom 26.02.2015 - III ZR 19/14; OLG Schleswig, Urteil vom 19.12.2013 - 5 U 73/13
Betroffene Anleger sollten sich auf jeden Fall von einem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht informieren und beraten lassen. Die Verfolgung berechtigter Ansprüche und die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen können allerdings mit erheblichen Schwierigkeiten und vielen Risiken verbunden sein. Das geht ins Geld. Mit Hilfe der mit dem BSZ e.V. kooperierenden Prozesskostenfinanzierungsgesellschaft haben die Kläger die Möglichkeit, ihren Rechtsanspruch gegen einen Dritten ohne Kostenrisiko durchzusetzen. Sie können somit alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen und befinden sich in einer stärkeren Verhandlungsposition. Gelingt der Prozesskostenfinanzierungsgesellschaft die Durchsetzung der Ansprüche nicht - geht also der Prozess verloren - fallen für sie keine Kosten an. Sämtliche Prozesskosten gehen in diesem Fall zu Lasten der Finanzierungsgesellschaft! - Die Kläger haben nicht das geringste Risiko!
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Dieser Text gibt den Beitrag vom 05.05.2015 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
steff
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