Dienstag, September 25, 2012

Aufklärungspflicht bei Risiken aus Unternehmensverträgen/ Wohnungsbau Leipzig West AG


Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18.09.2012 unter dem Aktenzeichen XI ZR 344/11 seine Rechtsprechung zur Prospekthaftung erweitert und sieht eine solche bereits darin begründend, wenn in einem Emissionsprospekt Risiken aus Unternehmensverträgen bei außerbörslich gehandelten Wertpapieren nicht ordnungsgemäß mitgeteilt bzw. dargestellt werden.

Der aktuelle Fall betraf die Wohnungsbau Leipzig West AG (WLW). Die WLW gab von 1999 bis 2006 Inhaberschuldverschreibungen im Wert von insgesamt € 565 Millionen heraus. Der dazugehörige Emissionsprospekt beinhaltete eine kritische Klausel. Konkret ging es um die Formulierung „ausgewogene Konditionen“. Der BGH sah in dieser Formulierung eine nicht hinreichende Risikoaufklärung, da sich im Verfahren herausstellte, dass die gesamte Kapitalanlage gerade nicht ausgewogen sei und dem Grunde nach für konservative Anleger somit auch nicht geeignet sei.

Der BGH hat einmal mehr seinen Adressatenkreis im Hinblick auf eine Haftung aus Emissionsprospekten auf den hier betroffenen Mehrheitsaktionär erweitert. Bereits vorkurzem hatte der BGH entschieden, dass auch Gründungsgesellschafter im Rahmen einer Beratung sich die Beratungsfehler von Vermittlungsorganisationen, Vermittlern und Untervermittlern zurechnen lassen müssen.

Gibt eine Gesellschaft einen Verkaufsprospekt heraus in dem z. B. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge erwähnt werden, so muss die Darstellung vollständig sein. Bereits seit längerem hatte der BGH entschieden, dass ein Anleger über wesentliche und für die Zeichnung entscheidende Punkte aufzuklären ist.

Der BGH sieht nunmehr eine umfassende Aufklärungspflicht bzw. Darstellungspflicht, wenn Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in einem Emissionsprospekt erläutert und erwähnt werden. Gemäß BGH war der Prospekt unvollständig, da wesentliche Angaben zur Beurteilung der Inhaberschuldverschreibungen fehlten. Insbesondere bei der Wohnungsbau Leipzig West AG hatten sich zahlreiche Kleinanleger beteiligt. Der BGH sah sich im Rahmen seiner Entscheidung veranlasst, hier von einem objektiven Anleger auszugehen, was dazu führte, dass Kenntnisse über Einzelheiten von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen einem Anleger nicht unterstellt werden können. Hieraus leitet der BGH eine Aufklärungspflicht her, wonach der Mehrheitsaktionär berechtigt war, der WLW nachteilige Weisungen zu erteilen und Liquidität abzuziehen. Hierin lag eine erhebliche Pflichtverletzung auf die sowohl im Prospekt als auch in den Beratungsgesprächen hätte hingewiesen werden müssen. Aufgrund dieser nachteiligen Weisungen wurde die Bonität der WLW auch zu Lasten der Anleger verschoben.

Folge dieser Entscheidung ist, dass Wertpapieremittenten die Pflicht trifft, Anleger umfassend über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und Risiken zu informieren. Dies gilt nunmehr auch für außerbörslich gehandelte Wertpapiere auf dem sogenannten „grauen Kapitalmarkt“.

Der BGH hat es hierbei nicht genügen lassen, nur auf das Totalverlustrisiko hinzuweisen. Vielmehr sah der BGH eine Pflicht darin, nicht nur das Insolvenzrisiko des Emittenten zu erläutern, sondern auch das der dahinter stehenden Konzerngesellschaft, da diese im Falle von Liquiditätsengpässen zwar Gelder aus der Gesellschaft abziehen könnte, im Falle einer Insolvenz der Gesellschafter aber nicht zurückerstatten würde.

Der BGH hob einmal mehr hervor, dass sich die konkrete Aufklärungspflicht am sogenannten durchschnittlichen Anleger zu orientierten hat. Maßgebend bleibt daher, welche Vorkenntnis ein Anleger vor Zeichnung einer derartigen Kapitalanlage hat.

Anleger, welche sich an sogenannte Inhaberschuldverschreibungen oder außerbörslich gehandelten Wertpapiermodellen beteiligt haben, sollten daher von einem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht prüfen lassen, ob möglicherweise Rückabwicklungsansprüche bzw. Schadenersatzansprüche aus einer soeben beschriebenen Pflichtverletzung seitens der Emittenten gegeben ist. Ist eine Kapitalanlage, sowie die der Wohnungsbau Leipzig West AG gescheitert, verbleibt für die Anleger oft nur der Weg, gegen die noch in Anspruch zunehmenden Mehrheitsgesellschafter, Gründungsgesellschafter und sonstigen Verantwortlichen einer Gesellschaft vorzugehen. Diese haften zum größten Teil persönlich für die Pflichtverletzungen, sowohl im Rahmen der Beratung als auch im Rahmen der Emissionsprospekte. In jedem Fall ist bei sämtlichen getätigten Kapitalanlagen die Verjährung zu berücksichtigen.

Es bestehen daher gute Gründe der Interessengemeinschaft des BSZ „Wohnungsbau Leipzig West AG / Inhaberschuldverschreibungen/Prospekthaftung“ beizutreten.


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Der Beitrag gibt den Sachstand und die Rechtslage zum 25.09.2012 wieder. Hiernach eintretende Änderungen können zu einer anderen rechtlichen und auch tatsächlichen Beurteilung führen.
aw

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