Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18.09.2012 unter dem Aktenzeichen XI ZR 344/11 seine Rechtsprechung zur Prospekthaftung erweitert und sieht eine solche bereits darin begründend, wenn in einem Emissionsprospekt Risiken aus Unternehmensverträgen bei außerbörslich gehandelten Wertpapieren nicht ordnungsgemäß mitgeteilt bzw. dargestellt werden.
Der aktuelle Fall betraf die Wohnungsbau Leipzig West AG
(WLW). Die WLW gab von 1999 bis 2006 Inhaberschuldverschreibungen im Wert von
insgesamt € 565 Millionen heraus. Der dazugehörige Emissionsprospekt
beinhaltete eine kritische Klausel. Konkret ging es um die Formulierung
„ausgewogene Konditionen“. Der BGH sah in dieser Formulierung eine nicht
hinreichende Risikoaufklärung, da sich im Verfahren herausstellte, dass die
gesamte Kapitalanlage gerade nicht ausgewogen sei und dem Grunde nach für
konservative Anleger somit auch nicht geeignet sei.
Der BGH hat einmal mehr seinen Adressatenkreis im Hinblick
auf eine Haftung aus Emissionsprospekten auf den hier betroffenen
Mehrheitsaktionär erweitert. Bereits vorkurzem hatte der BGH entschieden, dass
auch Gründungsgesellschafter im Rahmen einer Beratung sich die Beratungsfehler
von Vermittlungsorganisationen, Vermittlern und Untervermittlern zurechnen
lassen müssen.
Gibt eine Gesellschaft einen Verkaufsprospekt heraus in dem
z. B. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge erwähnt werden, so muss die
Darstellung vollständig sein. Bereits seit längerem hatte der BGH entschieden,
dass ein Anleger über wesentliche und für die Zeichnung entscheidende Punkte
aufzuklären ist.
Der BGH sieht nunmehr eine umfassende Aufklärungspflicht
bzw. Darstellungspflicht, wenn Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in
einem Emissionsprospekt erläutert und erwähnt werden. Gemäß BGH war der
Prospekt unvollständig, da wesentliche Angaben zur Beurteilung der
Inhaberschuldverschreibungen fehlten. Insbesondere bei der Wohnungsbau Leipzig
West AG hatten sich zahlreiche Kleinanleger beteiligt. Der BGH sah sich im
Rahmen seiner Entscheidung veranlasst, hier von einem objektiven Anleger
auszugehen, was dazu führte, dass Kenntnisse über Einzelheiten von
Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen einem Anleger nicht unterstellt
werden können. Hieraus leitet der BGH eine Aufklärungspflicht her, wonach der
Mehrheitsaktionär berechtigt war, der WLW nachteilige Weisungen zu erteilen und
Liquidität abzuziehen. Hierin lag eine erhebliche Pflichtverletzung auf die
sowohl im Prospekt als auch in den Beratungsgesprächen hätte hingewiesen werden
müssen. Aufgrund dieser nachteiligen Weisungen wurde die Bonität der WLW auch
zu Lasten der Anleger verschoben.
Folge dieser Entscheidung ist, dass Wertpapieremittenten die
Pflicht trifft, Anleger umfassend über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und
Risiken zu informieren. Dies gilt nunmehr auch für außerbörslich gehandelte
Wertpapiere auf dem sogenannten „grauen Kapitalmarkt“.
Der BGH hat es hierbei nicht genügen lassen, nur auf das
Totalverlustrisiko hinzuweisen. Vielmehr sah der BGH eine Pflicht darin, nicht
nur das Insolvenzrisiko des Emittenten zu erläutern, sondern auch das der
dahinter stehenden Konzerngesellschaft, da diese im Falle von
Liquiditätsengpässen zwar Gelder aus der Gesellschaft abziehen könnte, im Falle
einer Insolvenz der Gesellschafter aber nicht zurückerstatten würde.
Der BGH hob einmal mehr hervor, dass sich die konkrete
Aufklärungspflicht am sogenannten durchschnittlichen Anleger zu orientierten
hat. Maßgebend bleibt daher, welche Vorkenntnis ein Anleger vor Zeichnung einer
derartigen Kapitalanlage hat.
Anleger, welche sich an sogenannte
Inhaberschuldverschreibungen oder außerbörslich gehandelten Wertpapiermodellen
beteiligt haben, sollten daher von einem Fachanwalt für Bank- und
Kapitalmarktrecht prüfen lassen, ob möglicherweise Rückabwicklungsansprüche
bzw. Schadenersatzansprüche aus einer soeben beschriebenen Pflichtverletzung
seitens der Emittenten gegeben ist. Ist eine Kapitalanlage, sowie die der
Wohnungsbau Leipzig West AG gescheitert, verbleibt für die Anleger oft nur der
Weg, gegen die noch in Anspruch zunehmenden Mehrheitsgesellschafter,
Gründungsgesellschafter und sonstigen Verantwortlichen einer Gesellschaft
vorzugehen. Diese haften zum größten Teil persönlich für die
Pflichtverletzungen, sowohl im Rahmen der Beratung als auch im Rahmen der
Emissionsprospekte. In jedem Fall ist bei sämtlichen getätigten Kapitalanlagen
die Verjährung zu berücksichtigen.
Es bestehen daher gute Gründe der Interessengemeinschaft des BSZ „Wohnungsbau Leipzig West AG / Inhaberschuldverschreibungen/Prospekthaftung“ beizutreten.
BSZ® Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein e.V.
Lagerstr. 49
64807 Dieburg
Telefon: 06071-9816810
Internet: http://www.fachanwalt-hotline.de
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Anlegerschutzgemeinschaft:
Foto: Rechtsanwalt und BSZ e.V. Vertrauensanwalt Adrian Wegel
Der Beitrag gibt den Sachstand und die Rechtslage zum
25.09.2012 wieder. Hiernach eintretende Änderungen können zu einer anderen
rechtlichen und auch tatsächlichen Beurteilung führen.
aw
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