Montag, August 20, 2012

Schrottimmobilien-Fälle: Bank zur Rückabwicklung einer Immobilienfinanzierung verurteilt


Kammergericht, Urteil vom 31.05.2012 - 12 U 218/10: Das Kammergericht hat die Deutsche Kreditbank AG (DKB) verurteilt, für die Beratungsfehler des Vertriebs beim Verkauf von Immobilien einzustehen. Das Urteil des Kammergerichtes ist noch nicht rechtskräftig.


Ferner wurde ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichtes Berlin vom Kammergericht bestätigt. Die DKB hatte für einen Bankkunden und Immobilienkäufer den Kauf einer überteuerten Immobilie finanziert. Der Vertrieb, der die Verkaufsgespräche mit dem Immobilienkäufer führte, wurde im Darlehensvertrag der finanzierenden Bank benannt. Dies war ein Beleg für den Verdacht eines Zusammenwirkens. Die finanzierende DKB hat mehrere gleichgelagerte Immobilienkäufe finanziert. Diese Verbindung zwischen der finanzierenden Bank und dem Vertrieb wurde der DKB angelastet. Das Kammergericht kam zu dem Ergebnis eines "verbundenen Geschäftes".

Bei einem "verbundenen Geschäft" hat ausnahmsweise die Bank für das Verschulden des Vertriebes einzustehen, dies ergibt sich aus einer entwickelten Rechtsprechung der Gerichte.  Üblicherweise gilt der Grundsatz, dass eine Bank nur für den reinen Finanzierungsvertrag haftet. Die Gerichte sagen dann, der Kunde hat das Risiko, was er mit dem Geld macht. Arbeitet eine Bank jedoch eng mit dem Vertrieb zusammen und hat Kenntnis über die Art und Weise des Verhaltens des Vertriebes, so ist es anders. Dann wird er das Fehlverhalten des Vertriebes der Bank zugerechnet. Dann haftet die Bank auch für Fehler des Vertriebes.

Wie funktioniert das Geschäft von "Schrottimmobilien"?

Losgelöst von dem beschriebenen Einzelfall sind im Bereich des Immobilienmarktes und Vertriebes von Eigentumswohnungen seit Jahren neben den weißen Schafen auch die schwarzen Schafe. Die Stiftung Warentest berichtete unter dem 26. Juni 2012 von einem weiteren Fall des "gerade zu fünf Jahren Haft verurteilten Kay-Uwe Klug" (ehemals Geschäftsführer der KK Royal Basement, später IWC Management GmbH, Leuchte GmbH i. L.), der mit Hilfe von Mitarbeitern "unangekündigt potentielle Anleger mit Bedarf nach Altersvorsorge" angerufen - sogenanntes cool calling - und sie getäuscht hat, dass "sie sich durch Steuerersparnis und Wertzuwachs beim Kauf einer Immobilie finanzielle Unabhängigkeit für das Alter sichern könnten". In Wirklichkeit habe man den potentiellen Kunden "bescheidene und oft sanierungsbedürftige Eigentumswohnungen zu weit überhöhten Preisen" vermittelt. Im Rahmen solcher Immobilienkaufverträge über Eigentumswohnungen sei dann der Kaufpreis auch gleich über "einen Kredit der DKB" finanziert worden. Seit einiger Zeit sind bei den Gerichten die Klagen anhängig; besonders in Berlin.

In einem anderen Fall, über den die Pressestelle des Kammergerichtes im Juni 2012 berichtete, lag zwar kein verbundenes Geschäft vor, welches zu einer Haftung der finanzierenden Bank führte. Jedoch wurde das Berliner Immobilienhandels-Haus GRÜEZI Real Estate AG zur Rückabwicklung einer Immobilie verurteilt (KG, Urt. v. 15.06.2012 - 11 U 18/11). Der Präsident des Berliner Landgerichtes äußerte im Januar 2012 gegenüber der Zeitung, dass die Unternehmensgruppe Grüezi allein in 155 Gerichtsverfahren involviert sei.

Beim BSZ e.V. werden von Vertrauensanwälten ähnlich gelagerte Fälle betreut. Oftmals wird die Eigentumswohnung günstig aus Sanierungsfällen (Insolvenzen, Zwangsversteigerungen etc.) erworben. Anschließend wird sie zum drei- oder vierfach überteuerten Preis ahnungslosen Käufern angepriesen. In einem Verkaufsgespräches von geschulten Mitarbeitern im Strukturvertrieb wird regelmäßig eine lukrative Kapitalanlage ohne Risiko und zum "Steuer sparen" versprochen. Der Kaufpreis wird nicht selten mit Hilfe einer Bankfinanzierung nahezu komplett finanziert. Teilweise werden für das benötigte Eigenkapital vorhandene Rücklagen und Ersparnisse für den Kauf umfinanziert. Den lukrativen Gewinn streichen sich die Vermittler ein, während die Käufer oftmals auf einem hohen Schuldenberg sitzen bleiben.

Welche Rolle spielt dabei der Notar?

Beim Grundstückskauf bedarf es einer Beurkundung durch einen Notar. Da der Vertrieb bei solchen Geschäften oftmals ein Massengeschäft betreibt, braucht er einen Notar, der flexibel Beurkundungstermine vergibt ("Mitternachtsnotare"). In solchen Fällen wird der absprachegemäß jederzeit erreichbare Notar, der die unseriösen Verträge kurzfristig und jederzeit beurkundet, eingesetzt. Ein erfahrener Notar sollte erkennen, wenn ein ahnungsloser Käufer/in in Unkenntnis des Erwerbsgeschäftes einen Grundstückskaufvertrag beurkunden lassen will. Die Aufklärung des Erwerbers über die Folgen seines Handelns gehört zu den Pflichten des Notars.

Über einen weiteren Schrottimmobilienfall berichtete die Berliner Morgenpost am 18.07.2012. Demnach wirft die Staatsanwaltschaft dem Berlin Notar Marcel J. E., gegen den Untersuchungshaft vollstreckt wurde, gewerbs- und bandenmäßigen Betrug im Rahmen von weiteren "Schrottimmobilien-Fällen" in wenigstens 17 Fällen vor. Die Ermittlungen dauern an. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aber selbst der Berliner Justizsenator hat in einer Veranstaltung der Rechtsanwaltskammer Berlin im März 2012 dargelegt, dass es in Belrin 7-8 Banden gibt, die mit Schrottimmobilien ihr Geld verdient haben. Es werden demnach noch weitere Fälle ans Licht kommen.

Was ist ein "verbundenes Geschäft"?

Ein verbundenes Geschäft liegt nicht schon dann vor, wenn ein Kaufgegenstand (hier eine Immobilie) erworben und gleichzeitig ein damit verbundenes Darlehen (hier eine Immobilienfinanzierung) bei einer Bank aufgenommen wurde. Als weitere Voraussetzung muss hinzukommen, dass der Kredit der Finanzierung des Kaufpreises dient und beide Verträge als wirtschaftliche Einheit anzusehen sind. Gerade in dem Merkmal der "wirtschaftlichen Einheit" steckt das Problem. Diese "wirtschaftlichen Einheit" ist erst dann anzunehmen, wenn der Kreditgeber sich bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrages der Mitwirkung des Verkäufers (hier des Vertriebes) bediente.

Worin liegt die juristische Problematik in den "Schrottimmobilien-Fällen"?

Der Normalfall der sogenannten Schrottimmobilien-Fälle ist davon geprägt, dass nach einer sorgfältigen Recherche des Sachverhaltes mit dem betroffenen Käufer der Nachweis des Beratungsverschuldens des Vermittlers geführt werden kann. Im Rahmen von ungewöhnlich ablaufenden Verkaufsgesprächen bei der Vertragsanbahnung häufig Versprechungen gemacht, die nicht der Realität entsprechen oder schlicht weg falsch sind. Die Käufer vertrauen dabei auf den größeren Wissensstand des Vermittlers und sie kaufen die Immobilie im Glauben an eine lukrative Kapitalanlage. Da derartige Immobilien relativ häufig im Rahmen von Strukturvertrieben veräußert werden und die Fälle der Vermittlerhaftung nicht nur einen Fall betreffen, verschwinden die Vermittlungsunternehmen oftmals schnell wieder vom Markt. Die Vertriebs-GmbHs gehen dann insolvent und die Gesellschafter der insolventen Gesellschaft oder Mittelsmänner tauchen kurze Zeit später mit einer gänzlich neuen Gesellschaft wieder auf. Der geprellte Käufer kann dann zwar wegen seines Schadens einen Haftungsprozess führen, kann das Urteil aber nicht erfolgreich vollstrecken.

Entscheidet das Gericht, dass die finanzierende Bank für den entstandenen Schaden haftet, steht dem Immobilienkäufer ein solventer Gegner gegenüber. Die Haftung der Bank beschränkt sich nur auf die Fälle, in denen der Käufer ein sogenanntes verbundenes Geschäft nachweist. Das ist die Ausnahme von der Regel und wurde auch im vorliegenden Fall, den das Kammergericht per Urteil vom 31. Mai 2012 entschieden hatte, nur unter bestimmten Voraussetzungen angenommen. In der praktischen Beratung durch den Fachanwalt für Bank- und Kapitalanlagerecht kommt es darauf an, einen hervorgehobenen Wissensstand der finanzierenden Bank beweisen zu können. Dieses Rechtsgebiet gilt als schwierig und bedarf einer sorgfältigen Sachverhaltsaufklärung durch erfahrene Fachanwälte. Weiter ist die Erfahrung aufgrund von anderen Schrottimmobilienfällen notwendig.

Die Bank wehrt sich

Zurück zu dem Fall, den das Kammergericht per Urteil vom 31.05.2012 (12 U 218/10) entschieden hatte. Gegenüber der Stiftung Warentest hatte die Sprecherin der DKB bereits erklärt, dass die Bank gegen das Urteil des Kammergerichtes vom 31. Mai 2012 Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einreichen möchte. Sollte die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg haben, wird sich der BGH doch noch mit dem Fall befassen müssen und das Urteil auf Rechtsfehler überprüfen. Gegenwärtig ist die Entscheidung des Kammergerichts nicht rechtskräftig. Sollte das Urteil des Kammergerichtes jedoch Bestand haben, wird sich die DKB noch auf weitere Fälle der Verurteilung zum Schadensersatz einrichten müssen. Hintergrund ist hier, dass es noch eine größere Zahl ähnlich gelagerte Fälle gibt, bei denen die Bank in gleichgelagerter Weise mit dem Vertrieb des Immobilienverkaufes zusammenarbeitete.

Für die Prüfung von Ansprüchen aus Kapitalanlagen in immobilien  durch Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht hat der BSZ e.V. die Interessengemeinschaft "Schrottimmobilien + Immobilienrückabwicklung" gegründet. Es bestehen gute Gründe hier die Interessen zu bündeln und prüfen zu lassen und der Interessengemeinschaft beizutreten.


BSZ® Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein e.V.
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Foto: Rechtsanwalt und BSZ e.V. Vertrauensanwalt Karl-Heinz Steffens

Dieser Text gibt den Beitrag vom 20. August 2012 wieder. Hiernach eintretende Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt und können zu einer anderen Einschätzung führen.
khst

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