Dienstag, Juni 07, 2005

Das deutsche Gesundheitssystem hat ein Korruptionsproblem

In vielen Arztpraxen wird heute erst verhandelt und erst danach behandelt. So manchen Patienten beschleicht dabei das Gefühl sich eine umfassende Behandlung gar nicht mehr leisten zu können. In vielen Fällen bekommt er dann tatsächlich nur die „Billigversion“. Wer mehr will, der muss kräftig in die Tasche greifen.

Das deutsche Gesundheitssystem ist aber keineswegs unterfinanziert. Es hat nur ein riesiges Korruptionsproblem. Durch Betrug verschwinden nach Schätzungen der Antikorruptions-Organisation Transparency International jährlich 20 Milliarden Euro in dunklen Kanälen.

Gegen Ärzte, Apotheker und Patienten laufen zwar bundesweit Ermittlungsverfahren wegen Betruges. Bei dem BSZ® Bund für soziales und ziviles Rechtsbewusstsein e.V. befürchtet man jedoch, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist.

Die Ermittlungsverfahren gegen Patienten laufen, weil sie Ärzten ihre Versicherungskarten zu Betrugszwecken überlassen haben. Die Karten wurden benutzt, um mit den Kassen fingierte Leistungen und Medikamente abzurechnen.

Die Abzocker haben keinerlei Skrupel wenn es darum geht sich die eigenen Taschen zu füllen, wie nachfolgende Beispiele belegen:

Pflegebedürftigen werden zum Schein Kuren verschrieben.
Drogenabhängige gehen mit geklauten Krankenversichertenkarten zum Doktor-Shopping
Höregeräteakustiker bestechen Ärzte mit bis zu 500 Euro für die Empfehlung ihres Ladens.
In NRW hat ein Dentallabor mit 400 eingeweihten Zahnärzten billige Zahnprothesen aus Fernost importiert, aber nach deutschen Preisen abgerechnet.
Das Landgericht Saarbrücken hat eine 53-jährige Ärztin wegen Betrugs mit Patientenkarten zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Sie hatte den Kassen laut Urteil mit Scheinrezepten und falschen Abrechnungen einen Schaden von rund 750 000 Euro zugefügt. Allein sie hat etwa 1000 Patientenkarten von Versicherten eingesetzt.
In einem Prozess vor dem Coburger Landgericht hat ein angeklagter 63-jährige Mediziner die Richtigkeit der Anklage bestätigt, wonach er und zwei Apotheker zwei Krankenkassen mit Scheinrezepten um 1,68 Millionen Euro betrogen haben.
Hamburger Ärzte haben über Jahre Leistungen für bereits verstorbene Patienten abgerechnet. Dabei wurden bis zu 20 Namen von Toten pro Praxis geführt.

Nach Meinung des BSZ® e.V. handelt es sich hier auch um ein allgemeines gesellschaftliches Problem. Die „Raff-Mentalität“ ist in allen Bevölkerungsschichten sehr ausgeprägt und wird sogar als besonders clever bewertet. Die Betroffenen bringen ihr Handeln keineswegs in Zusammenhang mit Korruptionsstraftatbeständen. Das lässt ihr mangelndes Unrechtsbewusstsein erst gar nicht zu. Weil Bestechung und Bestechlichkeit – ähnlich wie Verkehrssünden und Steuerhinterziehung – nicht als „richtige“ Gesetzesverstöße, sondern eher als Kavaliersdelikte wahrgenommen werden, sind eventuell noch vorhandene moralische Barrieren schnell überwunden.

Es hat erst der Parteispendenaffäre der CDU bedurft um endlich auch von politischer Seite vermehrt anzuerkennen, dass Korruption auch bei uns ein flächendeckendes Problem sein kann. Trotzdem werden auftretende Korruptionsfälle gerne als Einzeltaten verirrter schwarzer Schafe abgetan, die bedrohliche Dimension des Problems hingegen wird völlig negiert.

Dass sich Korruption typischerweise in Netzwerken vollzieht, an denen sowohl Geschäftsleute als auch Politiker und Verwaltungsbeamte beteiligt sind, belegen die aktuellen Fälle. Solche Netze können sich aus mehreren tausend Teilnehmern zusammensetzen. Da von den korrupten Akten alle Beteiligten profitieren, der Geschädigte aber ein anonymer Dritter ist (etwa der Steuerzahler), können diese Netzwerke sehr langlebig und sehr verschwiegen sein. Der wirtschaftliche Schaden, den Korruption anrichtet, kann aufgrund der Dunkelziffern natürlich nur geschätzt werden, etwa anhand der Höhe des bekannten entstandenen oder auch verhinderten Schadens, oder anhand der Höhe bekannt gewordener Schmiergeldzahlungen.
Beinahe Jeder, der heute Fremdleistungen an seinen Abnehmer, Kunden oder eben auch Patienten weiterberechnet, findet nichts dabei, Provisionen, Prämien oder sonstige Vergünstigungen entgegenzunehmen oder auch zu fordern. Dieser Sachverhalt ist unter dem kaufmännisch klingenden Begriff „kick-back – Zahlungen“ einzuordnen. Dies führt dazu, dass diese kick-back - Zahlungen, im Wirtschaftsleben als nahezu üblich angesehen werden. "Kick-back" klingt schick, ist aber unter Umständen strafrechtlich höchst gefährlich. Die Annahme derartiger Leistungen kann unter Umständen zum Existenzverlust führen.
Geschäfte, bei denen ein Besteller, Auftraggeber oder Kunde jedoch von seinem Lieferant eine Provision bzw. Rückvergütung erhält, gelegentlich auch Bonus, Rabatt oder Treueprämie genannt, sind strafrechtlich gefährlich und führen nicht selten zur Strafverfolgung. In Betracht kommen Betrug, Untreue und Steuerhinterziehung, also jeweils ein Tatvorwurf, der das Interesse von Kriminalbeamten bzw. Steuerfahndern findet, den Staatsanwalt auf den Plan ruft und irgendwann den Strafverteidiger beschäftigt.
Dass Korruption so schwer aufklärbar ist, basiert darauf, dass es in korruptiven Netzwerken zumeist keinen klar zurechenbaren geschädigten Dritten gibt der sich mit einer Anzeige an die Justiz wendet.

Deutschland hat ein beachtliches Korruptionsproblem mit zunehmender Tendenz, insbesondere bei struktureller, also geplanter und systematischer Korruption. Da es bei diesem auf Konspiration angelegten Delikt in der Regel weder Zeugen noch unmittelbare Opfer oder Geschädigte gibt und somit Strafanzeigen als der für die Einleitung von Ermittlungsverfahren mit Abstand bedeutsamste Faktor nahezu gänzlich ausfallen, muss mit einem extrem großen Dunkelfeld gerechnet werden. Um dieses Dunkelfeld aufzuhellen hat der BSZ® e.V. unter der Internetadresse http://forum.fachanwalt-hotline.de/ in seinem Diskussionsforum das Thema Korruption und Vetternwirtschaft aufgenommen. Hier kann – auch anonym – Bericht über Korruptionsfälle erstattet werden.

BSZ® Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein e.V. Groß-Zimmerner-Str. 36 a, 64807 DieburgUnter der bundesweit einheitlichen Servicenummer 0180 500 36 nennt der BSZ e.V. Rechtsanwälte aus allen Rechtsgebieten. Im Internet wird man unter den Adressen www.fachanwalt-hotline.de und www.jurafit.de fündig.

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