Der Wind dreht sich zu Gunsten der Bausparer. Innerhalb kurzer Zeit hat das Oberlandesgericht Stuttgart gleich zweimal entschieden, dass die Kündigung eines Bausparvertrags durch die Bausparkasse rechtswidrig erfolgt ist (Az.: 9 U 171/15 und Az.: 9 U 230/15).
Hintergrund ist, dass die Bausparkassen derzeit versuchen,
sich von vergleichsweise hoch verzinsten Bausparverträgen zu trennen und
zuteilungsreife aber nicht voll angesparte Bausparverträge kündigt. Dabei
berufen sich die Bausparkassen in der Regel auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Demnach
können Darlehensnehmer Verträge nach Ablauf von zehn Jahren nach vollständigem
Empfang des Darlehens kündigen. „Ob sich Bausparkassen auf diese Regelung
berufen können, ist rechtlich mehr als umstritten. Auch wenn Bausparkassen in
der ersten Vertragsphase in der Rolle des Darlehensnehmers sind, soll der
Paragraf 489 die Verbraucher schützen und nicht gewerbliche Kreditinstitute“,
erklärt BSZ e.V. Anlegerschutzanwalt Marcel Seifert. In diesem Sinne hat sich das
OLG Stuttgart nun auch zweimal auf die Seite der Verbraucher gestellt.
OLG Stuttgart, Urteil
vom 30. März 2016, Az.: 9 U 171/15
In dem Fall hatte eine Verbraucherin bei der Wüstenrot
Bausparkasse 1978 einen Bausparvertrag über umgerechnet rund 20.500 Euro
abgeschlossen. Im Jahr 1993 wurde der Bausparvertrag zuteilungsreif; die
Bausparerin nahm das Darlehen allerdings nicht in Anspruch. Außerdem stellte
sie auch die Zahlung ihrer Raten ein. Als die Bausparkasse den Vertrag 2015
kündigte, war die Bausparsumme noch nicht voll angespart. Das OLG Stuttgart
entschied, dass die Kündigung unberechtigt war. Die Bausparkasse könne sich
nicht auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen. Nach den allgemeinen
Bausparbedingungen sei der Bausparer verpflichtet, bis zur erstmaligen
Auszahlung der Bausparsumme regelmäßig Sparbeiträge zu leisten. Bis dahin habe
die Bausparkasse das Bausparguthaben noch nicht empfangen. „Da die Frau keine
Beiträge mehr gezahlt hat, habe der Vertrag praktisch geruht und die
Bausparkasse habe dies geduldet, stellte das OLG fest. Dabei hätte sie die
Möglichkeit gehabt, von ihrem vertraglichen Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.
Da dies nicht geschehen ist, könne sie sich später nicht auf eine gesetzliche
Regelung berufen“, erklärt Rechtsanwalt Seifert.
OLG Stuttgart, Urteil
vom 4. Mai 2016, Az.: 9 U 230/15
Eine Bausparerin hatte 1999 zwei Bausparverträge über
insgesamt 200.000 DM abgeschlossen, die im Jahr 2001 zuteilungsreif wurden. Die
Verbraucherin nahm das Bauspardarlehen jedoch nicht in Anspruch. Im Januar 2015
flatterte ihr die Kündigung der Bausparkasse ins Haus. Zu diesem Zeitpunkt
waren die Bausparverträge zu 75 Prozent angespart. In diesem Fall war die
Bausparerin allerdings nur bis zum Erreichen eines Mindestsparguthabens von 50
Prozent der Bausparsumme zur Ansparung verpflichtet. Das OLG Stuttgart hielt
die Kündigung auch in diesem Fall für unberechtigt. Die Bausparkasse könne sich
nicht auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen. Das Gesetz bezwecke den Schutz von
Darlehensnehmern, die dem Zinsbestimmungsrecht der Darlehensgeber ausgesetzt
seien. Bausparkassen seien in der Ansparphase nicht schutzbedürftig, da sie
selbst die Zinssätze und Laufzeiten der Verträge bestimmen könnten. Daher
hätten sie eine unerwünscht lange Laufzeit ausschließen können. Das daher
freiwillig übernommene Zinsrisiko könne nicht unter Berufung auf gesetzliche
Kündigungsvorschriften auf die Bausparer abgewälzt werden, so das OLG.
„Interessant ist auch noch, dass in einem weiteren Fall eine
Bausparkasse ihre Revision vor dem OLG Stuttgart zurückgezogen und sich mit dem
Verbraucher geeinigt hat. Auch dies ist ein Beleg dafür, dass die
Rechtsprechung in Richtung Verbraucher kippt. Die Kündigungen der
Bausparverträge müssen also keineswegs einfach hingenommen werden“, so BSZ e.V.
Anlegerschutzanwalt Seifert. Für endgültige Klarheit wird aber wohl erst der
Bundesgerichtshof sorgen. Das OLG Stuttgart ließ in beiden Fällen die Revision
zu.
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Foto: Rechtsanwalt und BSZ e.V. Vertrauensanwalt Marcel Seifert
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Dieser Text gibt den Beitrag vom 29.06.2016 wieder.
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