In einem Pilotverfahren hatte ein Privatanleger gegen den Schuldenschnitt aus dem Jahr 2012 geklagt. Der BGH ließ nun erkennen, dass er die Klage für unzulässig hält.
Aus dem in Frankfurt am Main geführten Wertpapierdepot des
Klägers wurden im Frühjahr 2012 griechische Schuldverschreibungen
herausgenommen und andere Papiere mit einem um 53,5% verminderten Nominalbetrag
eingebucht. Nachdem sich Griechenland weigerte, die ursprünglichen Papiere
zurückzugeben, wurde Klage in Frankfurt am Main eingereicht. Die
Instanzgerichte hatten die Klage mit unterschiedlichen Begründungen abgewiesen.
Der griechische Staat behauptete vor allem, der
Schuldenschnitt sei in Ausübung staatlicher Macht erfolgt und könne deshalb
nicht vor Gerichten außerhalb Griechenlands angegriffen werden. Der BGH ließ in
der mündlichen Verhandlung jetzt erkennen, dass er dieser Argumentation wohl
folgen wird. Es geht um die grundsätzliche Unterscheidung zwischen hoheitlicher
Tätigkeit und fiskalischer Tätigkeit. Hoheitliche Maßnahmen können in einem
anderen Land nicht überprüft werden, weil dem der so genannte Grundsatz der
Staatenimmunität entgegen steht. Zivilrechtliche Maßnahmen können dagegen auch
vor Gerichten eines anderen Landes angegriffen werden. Staaten handeln zwar
zivilrechtlich, wenn sie Schulden aufnehmen. Die Frage ist jedoch, ob das auch
dann gilt, wenn sie ein Gesetz erlassen, aufgrund dessen eine
Mehrheitsentscheidung zu einem Schuldenschnitt ergeht. Davon geht Griechenland
aus. Nachdem der Umschuldung im Jahr 2012 das griechische Gesetz 4050/12 und
ein Ministererlass zugrunde lag, sei, so der beklagte Staat, von hoheitlichem
Handeln auszugehen.
Soweit der BGH dem folgt, könnte er allerdings für weitere
Verwerfungen sorgen. Denn damit stellt er sich ausdrücklich gegen die
Auffassung der europäischen Kommission, die bei hoheitlichem Handeln einen
Verstoß gegen europäische Verträge (Art. 124 AEUV) annimmt. Das hatte die
Kommission bereits im vergangenen Jahr in einem vor dem EuGH geführten
Parallelverfahren schriftlich festgehalten.
„Wenn sie konsequent ist, bleibt der Europäischen Kommission
als Hüterin der Verträge dann nichts anderes übrig, als gegen Griechenland
vorzugehen.“ meint BSZ e.V. Anlegerschutzanwalt Franz Braun. Braun vertritt den
Kläger in dem Pilotverfahren.
Er hält die Annahme
hoheitlichen Handelns ebenfalls für staatsrechtlich verfehlt. Denn der Staat
habe seinen Staatshaushalt durch das Steuer- und Abgabenmonopol in Ordnung zu
bringen. „Wenn der BGH nun einen Freibrief dafür erteilt, dass der
Staatshaushalt darüber hinaus auch mit Hilfe des staatlichen Gewaltmonopols
saniert werden darf, haben wir ein weit über den einzelnen Fall hinaus
reichendes, staatsrechtliches Problem. Pikant ist außerdem, dass der EuGH
letztes Jahr die Offenkundigkeit hoheitlichen Handelns verneint hat. Die
Annahme eines gewissermaßen verdeckten hoheitlichen Handelns zur Sanierung des
Staatshaushalts ist sachlich nicht mehr kommentierbar. Ich denke, auch
Zivilrechtler täten manchmal gut daran, ihre Begründung auch im Gesamtkontext
des Rechtssystems zu betrachten.“
Es bleibt abzuwarten, ob die Europäische Kommission die
Entscheidung des BGH zum Anlass nimmt und ihre bereits geäußerte
Rechtsauffassung zur Verletzung des Art. 124 AEUV gegenüber Griechenland
durchsetzt. Für die Glaubwürdigkeit der Europäischen Institutionen wäre das ein
nicht zu unterschätzender Schritt.
Dieser Beitrag gibt
die Sach- und Rechtslage zum 08.03.2016 wieder. Hiernach eintretende Änderungen
können zu einer anderen Sach- und Rechtslage führen.
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Foto: Rechtsanwalt und BSZ e.V. Vertrauensanwalt Franz Braun
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