Mittwoch, Juni 24, 2015

Bundesgerichtshof entscheidet über Folgen des Missbrauchs des Mahnverfahrens

Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids nicht berufen kann, wer im  Mahnverfahren bewusst falsche Angaben macht.  

 

Der Kläger des Ausgangsverfahrens erwarb im Jahr 1992 Wohnungseigentum.  Den Kaufpreis finanzierte er über Darlehen der Beklagten. Spätestens im Jahr 2005 erfuhr der Kläger von möglichen Ansprüchen gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung. Er hat daraufhin am 30. Dezember 2008 durch seinen vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt, mit dem er in der Hauptsache Zahlung von  "großem" Schadensersatz geltend gemacht hat. In dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids hat er erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung nicht abhänge, obwohl der für ihn handelnde  Prozessbevollmächtigte wusste, dass die Beklagte "großen" Schadensersatz  nur Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums schuldete. Der antragsgemäß erlassene Mahnbescheid ist der Beklagten im Januar 2009 zugestellt worden. Nach Widerspruch der Beklagten und Abgabe an das  Landgericht hat der Kläger seinen Anspruch unter dem 6. Mai 2010 begründet. 

Die Klage auf Leistung von "großem" Schadensersatz, der die Beklagte die Einrede der Verjährung entgegengehalten hat, ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des  Klägers hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zurückgewiesen, wobei er sich im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt hat:  

Nach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO* findet das Mahnverfahren nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängt. Wer den Erlass eines Mahnbescheids beantragt, muss nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO** erklären, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass die Gegenleistung erbracht ist. Gibt der Antragsteller im Mahnverfahren in Kenntnis der Rechtslage bewusst eine sachlich unrichtige Erklärung ab, weil er "großen" Schadensersatz nur Zug um Zug gegen einen im Zusammenhang mit der Schädigung erlangten Vorteil – hier die Eigentumswohnung – verlangen kann, im Antrag aber behauptet, der Anspruch sei von einer Gegenleistung nicht abhängig, wird die Verjährung zwar nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB*** gehemmt. Die Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes stellt in diesem Fall aber einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar. Dieser Missbrauch verwehrt es dem Antragsteller nach § 242 BGB**** grundsätzlich, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen. Unter diesen Umständen ist es ihm im Regelfall auch versagt, sich wenigstens auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe des "kleinen" Schadensersatzes zu berufen. Deshalb musste sich auch der Kläger, nachdem die Verjährungsfrist ohne Zustellung des Mahnbescheids abgelaufen wäre, so behandeln lassen, als sei sein Anspruch verjährt.  

Urteil vom 23. Juni 2015 – XI ZR 536/14 

OLG Karlsruhe - Urteil vom 10. Dezember 2014 - 13 U 203/12 
LG Freiburg - Urteil vom 5. Oktober 2012 - 5 O 15/11  
 
Quelle:  Pressemitteilung Nr. 105/2015 des Bundesgerichtshofs vom 23.06.2015



Hinweis des BSZ e.V. für Betroffene Kapitalanleger 

Bei Kapitalanlagen muss oft die Kapitalanlage Zug um Zug zurückgegeben werden. Hier treten Fehler bei der Angabe auf, ob der Anspruch von einem Gegenanspruch abhängt und ob dieser bereits erfüllt. Hier kam es oft zu Fehlern im Vordruck. Hier stellt sich auch die Frage, ob eine falsche Angabe sittenwidrig ist.

Bei vielen Mahnbescheiden durch Anwälte oder Anlegern soll es dabei zu Fehlern gekommen sein. Wenn ein Anleger einen Rechtsanwalt beauftragt hat, bestehen bei Fehlern des Rechtsanwaltsbüros Haftungsansprüche gegen den Rechtsanwalt.

Mitunter wird das schnelle und einfache Mahnverfahren nur gewählt, um angesichts des Zeitablaufs und der Vielzahl der Mandate eine Verjährungshemmung herbeizuführen. In vielen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass das an sich ungeeignete bzw. unzulässige Mahnbescheidsverfahren nur gewählt wurde, um auf einfache Art und Weise möglichst schnell und kurzfristig vor Ablauf der Verjährungsfrist eine Hemmung der Verjährung herbeizuführen, ohne die Klage sofort begründen zu müssen.

Soweit sich der Kläger auf die Verjährungshemmung beruft, nutzt er eine durch wahrheitswidrige Angaben erlangte Rechtsposition aus. Eine Berufung auf eine verjährungshemmende Wirkung des Mahnbescheids - soweit sie für die angeführten Fehler gegeben ist - ist daher im konkreten Fall rechtsmissbräuchlich.

Wegen der komplexen Lage sollten sich Anleger, die auf den Mahnbescheid gesetzt haben, eine Beratung durch einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht suchen.

Für die Prüfung von eventuellen Ansprüchen gegen einen Rechtsanwalt durch BSZ e.V. Vertrauensanwälte hat der BSZ e.V. die Interessengemeinschaft "Anwaltshaftung" gegründet.
 
Weitere Informationen können kostenlos und unverbindlich mittels Online-Kontaktformular, Mail, Fax oder auch per Briefpost bei dem BSZ e.V. angefordert werden.
 
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Bildquelle: © Tim Reckmann / pixelio.de

Dieser Text gibt den Beitrag vom 24.06.2015 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

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