BSZ e.V. im Interview mit Mathias Nittel, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht – Witt Nittel, Rechtsanwälte, Heidelberg.
BSZ e.V.: Herr Nittel, es gibt immer neue Urteile zu so genannten „kickbacks“, um was geht es da eigentlich?
Rechtsanwalt Nittel: Im Grundsatz geht es um die Ehrlichkeit im Umgang mit den Beratungskunden. Wer berät, darf nicht hinter dem Rücken seines Kunden Schmiergelder kassieren. Tut er es doch, ist er gegenüber dem Kunden verpflichtet, den Schaden, den dieser durch die Vermögensanlage erleidet, zu ersetzen. Nicht mehr und nicht weniger.
BSZ e.V.: Für welche Produkte gilt das?
Rechtsanwalt Nittel: Im Bereich der Vermögensanlagen gibt es inzwischen Urteile zu den verschiedensten Produktgruppen, zumeist geschlossene Fonds und Wertpapieranlagen. Vor wenigen Tagen wurde eine Volksbank noch zu Schadenersatz verurteilt, weil sie über Rückvergütungen im Zusammenhang mit einer fondsgebundenen Lebensversicherung nicht aufgeklärt hatte. Aber ich kann mir die Problematik auch gut bei Baufinanzierungen vorstellen, wo regelmäßig zu endfälligen Krediten mit gleichzeitig anzusparenden Tilgungsersatzinstrumenten wie Bausparverträgen und Lebensversicherungen geraten wird und nicht zu aus Verbrauchersicht meist günstigeren Annuitätendarlehen.
BSZ e.V.: Wieso bezeichnen Sie marktübliche Provisionszahlungen als Schmiergeld?
Rechtsanwalt Nittel: Welchen Zweck sollen diese Zahlungen erfüllen? Prinzipiell geht es doch darum dass einem Berater ein geldwerter Vorteil dafür versprochen wird, dass er einem Kunden zu einem bestimmten Vertragsschluss rät. Handelt es sich bei dem Kunden um ein Unternehmen, erfüllen solche Schmiergelder einen Korruptionstatbestand und werden gemäß § 299 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Ist der Anleger eine Privatperson, entfällt zwar die Strafbarkeit, der Unrechtsgehalt ist aber der gleiche. Der Berater, der ohne seinen Kunden aufzuklären Provisionen annimmt, ist in meinen Augen unredlich.
BSZ e.V.: Sind jetzt alle Banken, Anlageberater und Vermögensverwalter dem Risiko von Schadenersatzklagen ausgesetzt?
Rechtsanwalt Nittel: Was Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken betrifft, ein uneingeschränktes JA. Hier sind, wie die zahlreichen Fälle zeigen, in den letzten Jahrzehnten in großem Umfang Provisionen für geschlossene Fonds oder auch Wertpapiere, ich denke nur an Aktien- und Rentenfonds sowie Zertifikate, gezahlt und vereinnahmt worden.
Für sonstige Anlageberater hat sich die Lage nach einer jüngst ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs zunächst einmal entspannt. Da deren Begründung aber nicht unumstritten ist und erste Oberlandesgerichte dem BGH schon die Gefolgschaft verweigert haben, bleibt abzuwarten, was da noch auf die Berater zukommt.
Was Vermögensverwalter betrifft, ist die Rechtslage in meinen Augen eindeutig. Der Vermögensverwalter darf keine Rückvergütungen, Provisionen oder Schmiergelder annehmen. Tut er es dennoch, wie in zahlreichen mir bekannten Fällen geschehen, löst dies nicht nur Schadenersatzansprüche sondern auch strafrechtliche Konsequenzen aus.
BSZ e.V.: Wie lange zurück kann Schadenersatz geltend gemacht werden, wann verjähren die Ansprüche?
Rechtsanwalt Nittel: Diesbezüglich ist zu unterscheiden zwischen Wertpapieranlagen, also Aktien- oder Rentenfonds und Zertifikaten auf der einen und so genannten geschlossenen Fonds auf der anderen Seite zu unterscheiden, also alle Arten von Gesellschaftsbeteiligungen, die in Immobilien, Schiffe, Film- und Medieninvestitionen aller Art, Windparks, Solaranlagen, Flugzeuge oder Lebensversicherungen investieren, um nur die wesentlichen zu nennen.
Bei Wertpapieranlagen ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs seit Mitte 1997 zu vermuten, dass die Bank ihre Beratungspflicht über Rückvergütungen vorsätzlich verletzt hat. Dementsprechend können Ansprüche für Wertpapiergeschäfte geltend gemacht werden, die seit Mitte 1997 abgeschlossen wurden. Die Ansprüche wegen unterbliebener Aufklärung über diese „Kickbacks“ verjähren drei Jahre ab dem Zeitpunkt, in dem der Anleger Kenntnis von den Zahlungen erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt hat. Ansprüche aus Falschberatungen in Wertpapieranlagen, bei denen die Beratung vor 2002 erfolgte, verjähren darüber hinaus endgültig zum Ende des Jahres 2011.
Bei sonstigen Anlagen, insbesondere solchen in geschlossenen Fonds, können Anleger Schadenersatzansprüche auf eine nicht erfolgte Aufklärung über Rückvergütungen stützen, die bis ins Jahr 1990 zurückliegen, wie der BGH kürzlich festgestellt hat. Diese Ansprüche verjähren drei Jahre ab dem Zeitpunkt, in dem der Anleger Kenntnis von den Zahlungen erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt hat. Ansprüche aus Falschberatungen in sonstigen – nicht Wertpapier- - Anlagen, bei denen die Beratung vor 2002 erfolgte, verjähren darüber hinaus endgültig zum Ende des Jahres 2011.
BSZ e.V.:
Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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Dieser Text gibt den Beitrag vom 20.07.2010 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.