Freitag, März 11, 2011

Haben die AWD-Mitarbeiter falsch und unvollständig beraten?

In den Medien wird seit einigen Tagen wieder einmal über die Vertriebsmethoden des AWD zu Zeiten ihres Gründers Carsten Maschmeyer berichtet. Demnach soll dem NDR-Magazin "Panorama" und der Zeitschrift "Finanztest" eine Anleger-Liste vorliegen, aus der hervorgeht, dass mehr als 30 000 Anleger in den 90er Jahren über den Finanzdienstleister AWD Anteile an riskanten geschlossenen Immobilienfonds erworben haben. Die meisten Anleger sollen damit Verluste gemacht, manche sogar die Existenz verloren haben. So sollen zum Beispiel die als hochriskante Finanzbeteiligungen einzustufenden sogenannten Dreiländerfonds als sichere Altersvorsorge verkauft worden sein. Dem Vernehmen nach sollen diese Fonds dem AWD extrem hohe Provisionen beschert haben. Die genannte Liste soll auch belegen, dass mindestens jeder fünfte Anleger die riskanten Fonds durch Kredite finanziert hat, die vom AWD bereitgestellt wurden. Damit haben die Anleger nicht nur viel Geld verloren, sondern sitzen nun auf einem hohen Schuldenberg.

Diese Falschberatungen werden vom AWD natürlich bestritten oder als bedauerliche Einzelfälle dargestellt. In diesem Zusammenhang verweist Herr Maschmeyer gerne auf 2 Millionen zufriedene AWD-Kunden. Dem BSZ® e.V. ist bis dato nicht ein einziger dieser zufriedenen Kunden begegnet. In diesem Zusammenhang verweist der BSZ e.V. auf seine Pressemitteilung vom 7. Februar 2011 mit dem Titel "Ruin kann viele Ursachen haben, mitunter ist es auch der Rat von Finanzfachleuten". In diesem Bericht schildert ein AWD-Kunde sehr eindrucksvoll, wie er von seinem AWD-Berater über den Tisch gezogen wurde. Hier ein Auszug aus dem Bericht:

"Wir sind wirklich betrogen worden! Es ist nie ein Wort gefallen, dass diese Anlagen auch ein Risiko einschließen!! Das haben wir erst erfahren, als im TV die Mitteilung kam, dass der Falk-Fonds pleite sei. Da riefen wir besorgt unseren Finanzberater an und fragten, was nun? Antwort: "Ja, da haben Sie halt Pech gehabt." Jetzt wurde uns erstmalig klar, dass wir für den ach so vertrauenswürdigen Finanzberater nur eine Nummer waren. Er hat an uns durch seine Provisionen für die Verkaufsabschlüsse viel Geld verdient. Er kümmerte sich nun nicht mehr um uns. Wir haben uns beim AWD beschwert, wurden aber immer wieder abgeschmettert. Natürlich sind wir diesen AWD-Rechtsanwälten nicht gewachsen. Unser Geld ist aber weg. Es sollte jedoch nach der oben erwähnten Kurvendemonstration des Finanzberaters so viel Geld fließen, dass wir es niemals verbrauchen können, auch nicht, wenn wir jährlich Schiffsreisen machen würden. Wir haben nun bis heute keine einzige Schiffsreise gemacht und fühlen uns maßlos betrogen. Als wir dem Finanzberater noch vertraut hatten, haben wir ihn sogar an meinen Bruder und auch an einen Fachkollegen weiter empfohlen. Die fühlen sich in gleicher Weise betrogen wie wir."

Auf Grund dieses Berichtes haben sich bei dem BSZ e.V. eine Menge AWD-Geschädigte gemeldet. Viele davon haben sich der BSZ e.V. Interessengemeinschaft "Anlageberatung unvollständig/fehlerhaft" angeschlossen. Ein Prozessfinanzierer unterstützt die Geschädigten, die sich ein rechtliches Vorgehen aus finanziellen Gründen nicht mehr leisten können.

Da im Internet über die Verjährung von Schadensersatzansprüchen bei Falschberatung, teilweise abenteuerliche Behauptungen aufgestellt werden, hat der BSZ e.V. Herrn Rechtsanwalt Dr. jur. Ulf Solheid (Reichenbach / Vogtland), um eine entsprechende Stellungnahme gebeten:

In seiner jüngsten Rechtsprechung BGH Urt. v. 08.07.2010 - III ZR 249/09 - entschied dieser, ein Anleger dürfe auf die Angaben des Beraters vertrauen und handele nicht grob fahrlässig, wenn er den Ausführungen des Vermittlers vertraut und den Inhalt des Prospektes nicht auf die Richtigkeit der Aussagen des Vermittlers überprüfe.

Wer einen Fachmann bittet, beratend tätig zu sein, darf sich darauf verlassen, dass dessen Angaben, etwa zu Risikoprofil und Seriosität vollständig und richtig sind kommentiert Rechtsanwalt Dr. Ulf Solheid. Nunmehr stellt sich jedoch das Problem der sog. Ultimoverjährung. Mit dem Ende des Jahres 2011 greift auch die vorstehend dargestellte verlängerte Möglichkeit zur Geltendmachung von Ansprüchen nicht mehr, wenn nicht bis zum Ablauf dieses Jahres verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen werden.

Rechtsanwalt Dr. Solheid macht Anleger und Vermittler auf Folgendes aufmerksam:

Nach § 203 BGB führt das Schweben von Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände zu einer Hemmung der Verjährung. Unter Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände nach § 203 BGB zu einer Hemmung der Verjährung ist hier der Meinungsaustausch über das Bestehen oder Nichtbestehen zu verstehen, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird, BGH, NJW 2004,1654; 2007, 587.

OLG Hamm: Urteil vom 26.02.2008 - 25 U 17/07
Für Verhandlungen i.S.d. § 203 muss der Gläubiger zunächst klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will (vgl. dazu Palandt/Heinrichs § 203 BGB Rdn. 2).

Anschließend genügt jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird (vgl. BGH a. a. O. Rz. 39). Verhandlungen schweben schon dann, wenn der Anspruchsgegner Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein, wofür genügen kann, dass der Anspruchsgegner mitteilt, er habe die Angelegenheit seiner Haftpflichtversicherung zur Prüfung übersandt."

Die seit 2006 verbraucherfreundlichere Rechtsprechung des für Bankenrecht zuständigen 11. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hat inzwischen zahlreiche für Anleger günstige Grundsatzurteile zum Thema Aufklärungspflichten von Vermittlern und sogenannten Finanzberatern getroffen. Die Bundesrichter haben unter anderem entschieden, dass immer dann, wenn verbotene Rückvergütungen sogenannte "kick-backs" vorliegen oder ein Anleger über die Höhe der Vertriebsprovisionen getäuscht wird, ein Schadensersatzanspruch des Anlegers wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung vorliegt.

Nach Auskunft von seit den 90-er Jahren auf Rückabwicklung von Kapitalanlagen spezialisierten Heidelberger Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht und für Steuerrecht (Seelig & Widmaier) kann dieser Anspruch auf vollständige Rückabwicklung der Kapitalanlage gerichtet sein.

Auch die von Finanzvertrieben in der Praxis häufig anzutreffende Verharmlosung oder gar das Verschweigen von Risiken von Kapitalanlagen, wie etwa bei Medien-, Schiffs- oder Immobilienfonds kann als sogenannte nicht anlegergerechte Beratung zu Schadenersatzansprüchen in Form einer vollständigen Rückabwicklung führen.

Getäuschte und geschädigte Anleger sollten nicht die Flinte ins Korn werfen, sondern sich zur Wehr setzen. Die Gerichte sind spätestens seit der Finanzkrise auf einen verbraucherfreundlichen Kurs eingeschwenkt. Es besteht daher vielfach die Möglichkeit, den Schaden für die Betroffenen zumindest zu reduzieren.

Betroffene Anleger können sich gerne der BSZ e.V. Interessengemeinschaft "Anlageberatung unvollständig/fehlerhaft" anschließen.

Foto: Rechtsanwalt und BSZ e.V. Vertrauensanwalt Axel Widmaier

BSZ® Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein e.V.
Lagerstr. 49
64807 Dieburg
Telefon: 06071-9816810

Dieser Text gibt den Beitrag vom 11.03.2011 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

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