Kammergericht, Urteil vom 31.05.2012 - 12 U 218/10: Das
Kammergericht hat die Deutsche Kreditbank AG (DKB) verurteilt, für die
Beratungsfehler des Vertriebs beim Verkauf von Immobilien einzustehen. Das
Urteil des Kammergerichtes ist noch nicht rechtskräftig.
Ferner wurde ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichtes
Berlin vom Kammergericht bestätigt. Die DKB hatte für einen Bankkunden und
Immobilienkäufer den Kauf einer überteuerten Immobilie finanziert. Der
Vertrieb, der die Verkaufsgespräche mit dem Immobilienkäufer führte, wurde im
Darlehensvertrag der finanzierenden Bank benannt. Dies war ein Beleg für den
Verdacht eines Zusammenwirkens. Die finanzierende DKB hat mehrere
gleichgelagerte Immobilienkäufe finanziert. Diese Verbindung zwischen der
finanzierenden Bank und dem Vertrieb wurde der DKB angelastet. Das
Kammergericht kam zu dem Ergebnis eines "verbundenen Geschäftes".
Bei einem "verbundenen Geschäft" hat ausnahmsweise
die Bank für das Verschulden des Vertriebes einzustehen, dies ergibt sich aus
einer entwickelten Rechtsprechung der Gerichte.
Üblicherweise gilt der Grundsatz, dass eine Bank nur für den reinen
Finanzierungsvertrag haftet. Die Gerichte sagen dann, der Kunde hat das Risiko,
was er mit dem Geld macht. Arbeitet eine Bank jedoch eng mit dem Vertrieb
zusammen und hat Kenntnis über die Art und Weise des Verhaltens des Vertriebes,
so ist es anders. Dann wird er das Fehlverhalten des Vertriebes der Bank
zugerechnet. Dann haftet die Bank auch für Fehler des Vertriebes.
Wie funktioniert das Geschäft von
"Schrottimmobilien"?
Losgelöst von dem beschriebenen Einzelfall sind im Bereich
des Immobilienmarktes und Vertriebes von Eigentumswohnungen seit Jahren neben
den weißen Schafen auch die schwarzen Schafe. Die Stiftung Warentest berichtete
unter dem 26. Juni 2012 von einem weiteren Fall des "gerade zu fünf Jahren
Haft verurteilten Kay-Uwe Klug" (ehemals Geschäftsführer der KK Royal
Basement, später IWC Management GmbH, Leuchte GmbH i. L.), der mit Hilfe von
Mitarbeitern "unangekündigt potentielle Anleger mit Bedarf nach
Altersvorsorge" angerufen - sogenanntes cool calling - und sie getäuscht
hat, dass "sie sich durch Steuerersparnis und Wertzuwachs beim Kauf einer
Immobilie finanzielle Unabhängigkeit für das Alter sichern könnten". In
Wirklichkeit habe man den potentiellen Kunden "bescheidene und oft
sanierungsbedürftige Eigentumswohnungen zu weit überhöhten Preisen"
vermittelt. Im Rahmen solcher Immobilienkaufverträge über Eigentumswohnungen
sei dann der Kaufpreis auch gleich über "einen Kredit der DKB"
finanziert worden. Seit einiger Zeit sind bei den Gerichten die Klagen
anhängig; besonders in Berlin.
In einem anderen Fall, über den die Pressestelle des
Kammergerichtes im Juni 2012 berichtete, lag zwar kein verbundenes Geschäft
vor, welches zu einer Haftung der finanzierenden Bank führte. Jedoch wurde das
Berliner Immobilienhandels-Haus GRÜEZI Real Estate AG zur Rückabwicklung einer
Immobilie verurteilt (KG, Urt. v. 15.06.2012 - 11 U 18/11). Der Präsident des
Berliner Landgerichtes äußerte im Januar 2012 gegenüber der Zeitung, dass die
Unternehmensgruppe Grüezi allein in 155 Gerichtsverfahren involviert sei.
Beim BSZ e.V. werden von Vertrauensanwälten ähnlich
gelagerte Fälle betreut. Oftmals wird die Eigentumswohnung günstig aus
Sanierungsfällen (Insolvenzen, Zwangsversteigerungen etc.) erworben.
Anschließend wird sie zum drei- oder vierfach überteuerten Preis ahnungslosen
Käufern angepriesen. In einem Verkaufsgespräches von geschulten Mitarbeitern im
Strukturvertrieb wird regelmäßig eine lukrative Kapitalanlage ohne Risiko und
zum "Steuer sparen" versprochen. Der Kaufpreis wird nicht selten mit
Hilfe einer Bankfinanzierung nahezu komplett finanziert. Teilweise werden für
das benötigte Eigenkapital vorhandene Rücklagen und Ersparnisse für den Kauf
umfinanziert. Den lukrativen Gewinn streichen sich die Vermittler ein, während
die Käufer oftmals auf einem hohen Schuldenberg sitzen bleiben.
Welche Rolle spielt dabei der Notar?
Beim Grundstückskauf bedarf es einer Beurkundung durch einen
Notar. Da der Vertrieb bei solchen Geschäften oftmals ein Massengeschäft
betreibt, braucht er einen Notar, der flexibel Beurkundungstermine vergibt
("Mitternachtsnotare"). In solchen Fällen wird der absprachegemäß
jederzeit erreichbare Notar, der die unseriösen Verträge kurzfristig und
jederzeit beurkundet, eingesetzt. Ein erfahrener Notar sollte erkennen, wenn
ein ahnungsloser Käufer/in in Unkenntnis des Erwerbsgeschäftes einen
Grundstückskaufvertrag beurkunden lassen will. Die Aufklärung des Erwerbers
über die Folgen seines Handelns gehört zu den Pflichten des Notars.
Über einen weiteren Schrottimmobilienfall berichtete die
Berliner Morgenpost am 18.07.2012. Demnach wirft die Staatsanwaltschaft dem
Berlin Notar Marcel J. E., gegen den Untersuchungshaft vollstreckt wurde,
gewerbs- und bandenmäßigen Betrug im Rahmen von weiteren
"Schrottimmobilien-Fällen" in wenigstens 17 Fällen vor. Die
Ermittlungen dauern an. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aber selbst der
Berliner Justizsenator hat in einer Veranstaltung der Rechtsanwaltskammer
Berlin im März 2012 dargelegt, dass es in Belrin 7-8 Banden gibt, die mit
Schrottimmobilien ihr Geld verdient haben. Es werden demnach noch weitere Fälle
ans Licht kommen.
Was ist ein "verbundenes Geschäft"?
Ein verbundenes Geschäft liegt nicht schon dann vor, wenn
ein Kaufgegenstand (hier eine Immobilie) erworben und gleichzeitig ein damit
verbundenes Darlehen (hier eine Immobilienfinanzierung) bei einer Bank
aufgenommen wurde. Als weitere Voraussetzung muss hinzukommen, dass der Kredit
der Finanzierung des Kaufpreises dient und beide Verträge als wirtschaftliche
Einheit anzusehen sind. Gerade in dem Merkmal der "wirtschaftlichen
Einheit" steckt das Problem. Diese "wirtschaftlichen Einheit"
ist erst dann anzunehmen, wenn der Kreditgeber sich bei der Vorbereitung oder
dem Abschluss des Kreditvertrages der Mitwirkung des Verkäufers (hier des
Vertriebes) bediente.
Worin liegt die juristische Problematik in den
"Schrottimmobilien-Fällen"?
Der Normalfall der sogenannten Schrottimmobilien-Fälle ist
davon geprägt, dass nach einer sorgfältigen Recherche des Sachverhaltes mit dem
betroffenen Käufer der Nachweis des Beratungsverschuldens des Vermittlers
geführt werden kann. Im Rahmen von ungewöhnlich ablaufenden Verkaufsgesprächen
bei der Vertragsanbahnung häufig Versprechungen gemacht, die nicht der Realität
entsprechen oder schlicht weg falsch sind. Die Käufer vertrauen dabei auf den
größeren Wissensstand des Vermittlers und sie kaufen die Immobilie im Glauben
an eine lukrative Kapitalanlage. Da derartige Immobilien relativ häufig im
Rahmen von Strukturvertrieben veräußert werden und die Fälle der
Vermittlerhaftung nicht nur einen Fall betreffen, verschwinden die
Vermittlungsunternehmen oftmals schnell wieder vom Markt. Die Vertriebs-GmbHs
gehen dann insolvent und die Gesellschafter der insolventen Gesellschaft oder
Mittelsmänner tauchen kurze Zeit später mit einer gänzlich neuen Gesellschaft
wieder auf. Der geprellte Käufer kann dann zwar wegen seines Schadens einen
Haftungsprozess führen, kann das Urteil aber nicht erfolgreich vollstrecken.
Entscheidet das Gericht, dass die finanzierende Bank für den
entstandenen Schaden haftet, steht dem Immobilienkäufer ein solventer Gegner
gegenüber. Die Haftung der Bank beschränkt sich nur auf die Fälle, in denen der
Käufer ein sogenanntes verbundenes Geschäft nachweist. Das ist die Ausnahme von
der Regel und wurde auch im vorliegenden Fall, den das Kammergericht per Urteil
vom 31. Mai 2012 entschieden hatte, nur unter bestimmten Voraussetzungen
angenommen. In der praktischen Beratung durch den Fachanwalt für Bank- und
Kapitalanlagerecht kommt es darauf an, einen hervorgehobenen Wissensstand der
finanzierenden Bank beweisen zu können. Dieses Rechtsgebiet gilt als schwierig
und bedarf einer sorgfältigen Sachverhaltsaufklärung durch erfahrene
Fachanwälte. Weiter ist die Erfahrung aufgrund von anderen
Schrottimmobilienfällen notwendig.
Die Bank wehrt sich
Zurück zu dem Fall, den das Kammergericht per Urteil vom
31.05.2012 (12 U 218/10) entschieden hatte. Gegenüber der Stiftung Warentest
hatte die Sprecherin der DKB bereits erklärt, dass die Bank gegen das Urteil
des Kammergerichtes vom 31. Mai 2012 Nichtzulassungsbeschwerde beim
Bundesgerichtshof einreichen möchte. Sollte die Nichtzulassungsbeschwerde
Erfolg haben, wird sich der BGH doch noch mit dem Fall befassen müssen und das
Urteil auf Rechtsfehler überprüfen. Gegenwärtig ist die Entscheidung des
Kammergerichts nicht rechtskräftig. Sollte das Urteil des Kammergerichtes
jedoch Bestand haben, wird sich die DKB noch auf weitere Fälle der Verurteilung
zum Schadensersatz einrichten müssen. Hintergrund ist hier, dass es noch eine
größere Zahl ähnlich gelagerte Fälle gibt, bei denen die Bank in
gleichgelagerter Weise mit dem Vertrieb des Immobilienverkaufes
zusammenarbeitete.
Für die Prüfung von Ansprüchen aus Kapitalanlagen in immobilien durch Fachanwälte für
Bank- und Kapitalmarktrecht hat der BSZ e.V. die Interessengemeinschaft
"Schrottimmobilien + Immobilienrückabwicklung" gegründet. Es bestehen
gute Gründe hier die Interessen zu bündeln und prüfen zu lassen und der
Interessengemeinschaft beizutreten.
BSZ® Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein e.V.
Lagerstr. 49
64807 Dieburg
Telefon: 06071-9816810
Direkter Link zum Anmeldeformular für eine BSZ®
Anlegerschutzgemeinschaft:
Foto: Rechtsanwalt und BSZ e.V. Vertrauensanwalt Karl-Heinz Steffens
Dieser Text gibt den Beitrag vom 20. August 2012 wieder.
Hiernach eintretende Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt
und können zu einer anderen Einschätzung führen.
khst